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Irgendwas ist immer

Urlaub!

Nach anstrengenden Wochen, vielen Ereignissen und ToDo’s sowohl privater als auch beruflicher Natur naht endlich der lang ersehnte Sommerurlaub. Nur zwei Tage vor Abreise, also just in time, schafft Bernd es, alle Batterien mit allem drum und dran fertig zu stellen. Juhu, Tabaluga ist reisefertig! Ich hab den Druck auf den Käpt’n ganz sanft ein bisschen erhöht, anfangs habe ich nur gefragt, ob ich vielleicht sicherheitshalber einen Flug irgendwo hin buchen soll? Irgendwann brauchte ich nur noch zu fragen: Opodo oder TUI? Und schwups: auf einmal war alles fertig!

Das ersehnte Reiseziel für dieses Jahr: Südschweden. Vor meinem inneren Auge sehe ich uns auf einer einsamen Schäre in den Sonnenuntergang blicken. Hach…

Vorher liegen natürlich ein paar Seemeilen auf dem Weg, ca. 160 sm bis Ystad. Theoretisch bei Westwind in zwei Tagen machbar. Laut Wettervorhersage kommt genau dieser Westwind zu Urlaubsbeginn. Der Segler weiß aber, wie schnell sich das Wetter ändern kann und freut sich immer sehr vorsichtig.

Schnell noch die Liese nach Unna gebracht, Sachen gepackt und los nach Dänemark! Beim Auspacken höre ich, wie mein Mann schmunzelnd vor sich hin moppert: wir haben ja mehr Alkohol als Würstchen an Bord…

Der erste Urlaubsabend beginnt mit perfektem Wetter, einem Glas Sekt und dem EM-Achtelfinalspiel Deutschland gegen Dänemark, welches Deutschland mit Glück 2:0 gewinnt. Wir sind in Kontakt mit einem ehemaligen Arbeitskollegen, der vor 2 Jahren Job und Wohnung gekündigt hat und mit seiner Freundin ein Segelboot gekauft hat. Die beiden liegen zufällig gerade in Sønderborg auf dem Weg in den Nordostseekanal und wir verabreden, dass wir sie auf jeden Fall irgendwie besuchen.

30.6.2024 Marina Minde - Vemmingbund 5sm

Endlich mal wieder ohne jegliche Verpflichtungen lange schlafen - herrlich! Genauso lässt sich Urlaub beginnen. Allerdings, wie sollte es auch anders sein, es regnet! So gehen wir noch mal einkaufen und wollen nachmittags langsam losfahren in die schöne Ankerbucht vor Sønderborg, um Miro und Alma dort zu treffen. Die Batterien funktionieren, Tabaluga ist reisebereit, so legen wir langsam ab. Ein klitzekleiner Ruckler mit dem Anker am Pfosten, weil ich nicht so schnell das Bugstrahlruder mit der Fernbedienung bedienen kann und es vom Steuerstand gerade nicht geht, läutet die Reise ein. Irgendwas ist halt immer, wie müssen uns erstmal eingrooven 😅. Als wir den Hafen verlassen haben, sagt mein Skipper ganz geknickt: du, das Ruder ist fest… Ohje, man bzw. frau kann es kaum bewegen. Wir können das gerade nicht glauben, da doch die Ruderlager im Februar neu gemacht worden sind? Ach, paar mal drehen, sitzt bestimmt nur ein bisschen Grünzeug drin. Also fahren wir erstmal weiter, wir wollen in die Vemmingbund, die Ankerbucht vor Sønderborg.

Dort angekommen, werden wir schon empfangen, Miro und Alma drehen eine Runde im Schlauchboot, während wir den Anker ausbringen und kommen dann gleich an Bord. Über 12 Jahre haben wir uns nicht gesehen und nun hier irgendwo auf der Ostsee. Manchmal ist die große Welt doch ganz klein ⚓️. Der Abend ist traumhaft, wir plaudern über unsere und deren Erlebnisse, beobachten die Schweinswale, die um unser Boot herumziehen und genießen die Ruhe und den Sonnenuntergang. Genau dafür macht man das alles! 🐬

1.7.2024 Vemmingbund - Laboe 36,9sm

Am nächsten Morgen starten wir früh, ich genieße ein Kaffee auf der Heckplattform bei null Wind und traumhafter Aussicht. Noch sind wir optimistisch, dass unsere Reise in den Westen nun losgeht. Allerdings geht das Ruder gefühlt wieder schwerer, wir sind hin- und hergerissen, ob wir es so wagen können, weiterzusegeln. Den Autopiloten würden wir schrotten, wenn wir ihn anstellten. Daher entscheidet mein Skipper auf einmal mit Vehemenz: wir fahren in die Werft! Say goodbye to Sweden… vorerst. Aber recht hat er, ich hab den gleichen Gedanken gehabt, was ist, wenn wir damit sogar manövrierunfähig werden? Also ändern wir den Kurs Richtung Laboe. Die Werft wird informiert und schickt ein Okay, dass wir kommen können. Hilft ja nix, Sicherheit geht vor allem!

Anfangs ist wenig Wind, der steigert sich im Laufe des Tages ein wenig, aber wir wagen es schon nicht mehr, die Segel zu setzen. Ein schnelles Manöver im Falle eines Falles wäre derzeit nicht machbar. Angekommen in Laboe empfängt uns die schon obligatorische Anleger-Böe. Es fängt an zu regnen, genau in dem Moment, wo wir anlegen wollen. Wir haben keine Ahnung, womit wir das verdient haben? Wir fahren zunächst unter den Kran, aber heute geht nichts mehr, also dürfen wir am Werkssteg festmachen, morgen früh wird dann gekrant. Noch ist meine Laune nicht im Keller, wenn morgen alles schnell geht, sollte der Plan mit Schweden vielleicht doch noch klappen. Dummerweise sind zum Ende der Woche Sturmböen angesagt, vor denen wollten wir eigentlich weg sein.

Wir gehen laufen, 12km nach Wendtorf und zurück und sind erstmal ausgepowert. Das Laufen hilft ungemein, den Adrenalinspiegel wieder auf ein Normalmaß zu bringen. Eine Scholle und eine Pizza zum Abendessen, danach fallen wir totmüde in die Koje.

2.7.2024 Laboe

Am Morgen kommt der Bootsbaumeister an Bord und versucht zunächst, von oben das Ruder zu lösen. Aber es passiert gar nichts. Nur das Steuerbordruder ist fest, das Backbordruder ist in Ordnung. Es hilft nichts, Tabaluga muss an Land. Ich beschließe, mit dem Bus nach Kiel zu fahren, um ein paar wichtige Sachen zu besorgen. Die etwas mehr als halbstündige Busfahrt nach Kiel kostet gerade mal 4€, ich bin erstaunt! So viel bezahlt man in den Großstädten ja schon für eine Station… Ich mache eine Tour durch die Kieler Innenstadt, die von Aufräumarbeiten nach der Kieler Woche geprägt und daher gerade nicht wirklich attraktiv ist. Ich finde das Gesuchte und entscheide, mit der Fähre nach Laboe zurück zu fahren. Die fährt 1h20min und kostet ebenfalls nur 4€ plus 1€ Bordzuschlag. Das nenne ich ÖPNV, den jeder wirklich nutzen kann!

Tabaluga steht bereits an Land und ich frage, wie lange es dauert? Ja nee, heute passiert nichts mehr, wir haben jetzt Feierabend (es ist 15 Uhr). Da erwischt mich kurz der Frust und es kommen doch ein paar Tränen… in meinem Berufsleben habe ich selten einen Kunden im Regen stehen gelassen, weil ich Feierabend machen wollte. Aber nun, so ist es wohl im Handwerk, wir kennen die Randbedingungen im Betrieb nicht, also müssen wir es so akzeptieren.

Wir satteln die kleinen Italiener für eine kleine Tour entlang des Fördewanderweges, lassen uns den Wind durchs Gesicht pusten und versuchen trotz allem an Urlaub zu denken - so ist es halt beim Segeln, irgendwas ist immer….

3.7.2024 Laboe

Am nächsten Morgen starten die Bootsbauer früh und versuchen, das festsitzende Ruder zu lösen. Es ist grauenvoll… zu zweit dengeln sie mit aller Kraft mit Vorschlaghammer und Stahlrohr von oben auf das Lager, das ganze Boot bebt, wackelt und scheint sich zu wehren. Was ist da bloß schiefgelaufen? Wir wissen nun jedenfalls, dass unsere Entscheidung nach Laboe zu fahren, die einzig richtige war. Wir stellen uns vor, auf See ein Problem gehabt oder sogar in Schweden in irgendeine Werft einlaufen zu müssen. Dann wären wir nicht nur der Urlaubsfreuden beraubt, sondern mit Sicherheit auch eine Menge Geld los. Von der Angst und Anspannung oder gar einem Seenotfall will ich gar nicht reden.

Aber irgendwann ist es geschafft, das Ruder ist gelöst und lässt sich herausziehen. Der Bootsbauer will das Lager ausfräsen, so dass es nun passt. Er kann sich selber nicht erklären, was genau passiert ist. Der Einbau bei Minusgraden, die winterkalte Ostsee und nun Ausdehnung des Materials oder schlicht das falsche Material? Wir wissen es nicht. Hauptsache, es kommt jetzt in Ordnung!

Wir können derzeit nichts weiter tun und fahren noch mal nach Kiel rein und gehen shoppen. Auf der Fahrt zurück fällt uns auf, dass die Fähre hybrid unterwegs ist, also im Stadtbereich nur mit Strom fährt. Ein weiterer Pluspunkt auf der Liste des Kieler ÖPNV.

Nachmittags fahren wir zum Ehrenmal in Laboe und lassen ein wenig deutsche Geschichte auf uns wirken. Gerade die Inschriften sollten uns immer daran denken lassen, dass solche Kriege einfach nie wieder stattfinden dürfen 🥲.

Der Blick von oben auf die Kieler Förde lässt durch unsere düstere Geschichte traurigen Herzen wieder leichter werden und wir genießen die Aussicht und das Leben. In der Ferne sehen wir sogar Tabalugas Mast - an Land… Die Surfer und Kiter nutzen den Wind bei wenig Welle, ein herrliches Revier.

4.7.2024 Laboe

Ich starte den Tag mit einer kleinen Laufrunde entlang der Förde. Ein Stück des Fördewanderweges geht durch militärisches Gebiet und wird ab und zu gesperrt. Eine Tafel zu Beginn des Weges zeigt Datum und Uhrzeit der nächsten Sperrung an. Ich renne kurz vor knapp vor Sperrung wieder zurück, der Umweg wäre mir dann doch etwas zu weit gewesen. Tabaluga und ihre Ruderlager sind endlich fertig. Wir lachen eine Menge mit den Jungs, die durchaus Spaß bei ihrer Arbeit haben. Auf einmal werden sie hektisch: der angesagte Wind frischt auf, sie wollen das Boot schnell wieder im Wasser haben. Wie immer, wenn wir anlegen wollen, kommen die Böen schneller und heftiger hintereinander. Wir dürfen am Werftsteg bleiben und müssen uns nicht in irgendeine freie Box quetschen. Die Jungs von der Werft helfen beim Anlegen, der Wind bläst Tabaluga vom Steg weg, sie müssen ordentlich halten. Alle geben alles und wir liegen sicher festgemacht wieder im Wasser.

Eigentlich wollte ich heute in Ystad sein und die kommende Schlechtwetterfront dort aussitzen. Tja, wie immer: meistens kommt es anders als man denkt… Wind- und Routenplanung ist nun gefragt, es ist so schwierig. So richtig können wir uns noch nicht entscheiden. Am sichersten liegen wir erstmal noch in Laboe und lassen den angekündigten Sturm durchziehen.

Den morgigen Tag wollen wir noch mal für letzte kleine Reparaturarbeiten nutzen. Die Heizung muckt ein bisschen und möchte in Ordnung gebracht werden. Außerdem haben wir einen Spezialisten für das stehende Gut, also Mast und Wanten, gefragt, ob er sich bei uns mal alles anschauen kann. Schließlich möchten wir sicher weitersegeln.

Ein Eis zum Feierabend beschließt den Tag, hoffentlich zieht das schlechte Wetter bald weiter!

5.7.2024 Laboe

Der Rigger kommt an Bord, begutachtet die Wanten und befindet alles für in Ordnung. Nur lässt er sich nicht in den Mast ziehen, was irgendwie schon gut gewesen wäre für eine komplett verlässliche Aussage. Auf jeden Fall müssen wir mal mit der Versicherung klären, wie alt das stehende Gut an Bord laut unserem Versicherungsvertrag sein darf. Manche Versicherungen möchten gerne alle 10 Jahre neue Wanten sehen, da sind wir nun schon drüber, Tabaluga ist im 15. Jahr und es wurde bisher nichts ausgetauscht. Bei der alten Tabaluga gab es auch nach 25 Jahren keine Schäden, die hatte aber keine Reise über den Atlantik hinter sich.

Alle Reparaturarbeiten sind nun erstmal erledigt und wir versuchen, wieder in den Urlaubsmodus zu schalten. Wir holen die kleinen Italiener raus und radeln zum Edeka. Nach dem Einkauf verharren wir noch eine Viertelstunde vor dem Laden, da ein Wolkenbruch der Sorte “nass bis auf die Haut in 2 Minuten” den Himmel verdunkelt. Irgendwie sind wir aber noch gereizt und genervt, streiten uns über Pillepalle und brauchen wohl noch eine kurze Pause an Bord, bis es weitergeht. Sommerurlaubsstimmung ist was anderes… 😆

Radfahren ist aber ja auch Urlaub, also fahren wir mal nach Brasilien! Ja, ein kleiner Ort an der Ostseeküste heißt wirklich Brasilien und Kalifornien liegt gleich nebenan. Wie ich recherchieren konnte, soll der Name Brasiliens ebenso wie Kalifornien von der Aufschrift einer alten Schiffsplanke stammen. Unglaublicherweise gibt es doch immer wieder Idioten und es fehlt tatsächlich ein Ortseingangsschild. Geklaut!? Vermutlich muss die Gemeinde ständig neue Ortschilder für diese beiden Dörfchen herstellen, da genug Klaufixe unterwegs sind…

Erwähnte ich schon, wie toll die kleinen Italiener sind? Zuhause bereite ich mich auf 30k m Radfahren vor: Fahrradhose, Wasserflasche, Helm, Handschuhe, Fahrradbrille, Route auswählen… Mit den kleinen Radeln ist alles easy peasy. In Freizeitklamotten einfach los fahren und mal gucken, wo wir landen - allerdings lediglich mit 10km/h, wenn’s hochkommt, nicht im Rennradmodus. Und heute werden es sogar 32km, die wir ganz locker unterwegs sind. Dank eines neuen Sattels tut auch mein Allerwertester nicht mehr weh und nass werden wir wie durch ein Wunder auch nicht. Alles in allem eine schöne Runde, die uns mit der derzeitigen Situation ein wenig versöhnt.

Der nächste abendliche Wettercheck ergibt immer noch keine wirklich gute Option. Von Samstag auf Sonntag soll richtig Wind, also irgendwas von 35-40kn kommen. Da liegen wir hier unter Land doch gut geschützt. Wir könnten ggf. Richtung Heiligenhafen vorm Wind noch ein paar Meilen machen, aber den Hafen und Ort kennen wir ja auch zur Genüge. Also bleiben wir hier, bis der Wind abnimmt und wir in einem durch nach Südschweden segeln können. Denn Schweden muss sein! Ich will nach Schweden, also fahren wir nach Schweden. Punkt.

6.7.2024 Laboe

Es ist Samstag, schon eine Woche Urlaub ist vorbei, es ist warm und der Himmel kündigt schon einen Wetterwechsel mit Krawumms an. Wir beschließen noch einmal nach Kiel zu fahren, dieses Mal als Touristen. Wir nehmen die Räder mit auf die Fähre, um in der Innenstadt einen größeren Radius abklappern zu können. Wir machen einen Abstecher ins Naturkundemuseum, um Walskelette zu bestaunen und radeln anschließend an der Kiellinie mit Bars, Cafes und vielen Menschen entland. Der Wind nimmt zu, es ist schwül, der Himmel verdüstert sich weiterhin. Wir machen uns auf den Rückweg, der Rückweg ist anstrengend mit ordentlich Gegenwind. Der Himmel färbt sich schwarz, kommen wir noch trocken an? Wir sind im Hafen, gehen noch kurz zum Hafenmeister auf ein paar Worte, als der uns zum Boot schickt: los, raus hier, ihr werdet sonst gleich tropfnass. Ohja und wir sind genau eine Minute vor Regenbeginn an Bord, die da vom Himmel kommende Dusche wäre eher mit einem Sprung ins kalte Wasser gleichzusetzen.

Die richtige Dusche gönnen wir uns dann nach dem Essen. Als wir aus dem Duschhaus kommen, ist der Wind da. Die Haare sind draußen innerhalb einer Minute trocken. Die Wetterprognosen sind doch erstaunlich präzise mittlerweile, wir scheinen mit unserer Entscheidung, noch nicht weiter zu segeln, alles richtig gemacht zu haben.

Kurz vor Sonnenuntergang sagt der Skipper: guck mal, da kommt noch ein Segler! Ich gucke und erwidere: guck mal, davor hängt der Seenotretter. Autsch, das sieht nach Maschinenschaden aus, bei knapp 30kn Wind eine gefährliche Situation. Aber bald liegen sie sicher im Hafen unterm Kran. Gut, dass es die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger gibt . Wir spenden regelmäßig - macht das als Leser unseres Blogs doch auch mal! Danke!!