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Sommersturm und sichere Heimkehr

7.8.-8.8.23 Nyborg

Am Morgen ist der Wind zwar zurück, aber noch nicht mit aller Macht. Im Hafen ist nicht allzu viel zu spüren. Dennoch bleibt der “Bettenwechsel” aus, niemand fährt raus oder kommt rein. Alle sind froh aufgrund der Vorhersagen im sicheren Hafen zu sein. Wir lassen den Tag gemütlich angehen, schlendern durch die Innenstadt, entspannen und relaxen. Solche Tage im Hafen sind keine verlorenen Tage, sondern auch Urlaub! Nyborg ist ein tolles Städtchen, da lohnt es sich, zu bleiben.

Abends verabreden wir uns mit unseren dänischen Nachbarn, Christina und Martin. Wir plaudern, trinken ein Bierchen bei denen an Bord und finden heraus, dass wir alle ziemliche Neulinge im Segelsport waren, als wir das erste, nicht gerade kleine Boot gekauft haben 😉. Die Geschichten ähneln sich sehr und auch die Erfahrungen als Bootsbesitzer im Laufe der Jahre. Sie sind mittlerweile erfahrene Regattasegler, was wir beeindruckend finden. Umgekehrt waren wir schon deutlich weitere Strecken mit dem Boot unterwegs und sie bewundern unseren Mut, das Boot am Anker einfach alleine zu lassen. Okay, wir geben zu, das klappt tatsächlich erst mit der OVNI. Bei der Najad haben wir schon immer gezittert, ob der Anker hält oder haben das Boot nur alleine gelassen, wenn es an einer Boje hing oder in den Schären an einem Felsen fest gemacht war.

Der Wind wird nun stärker, im Hafen messen wir über 30kn in Böen. Draußen auf See werden es noch einige mehr sein. Wir bleiben einen weiteren Tag in Nyborg und machen noch mal alle Geschäfte unsicher. In einem hübschen dänischen Haushaltswarenladen fragt uns eine Mitarbeiterin, wo wir denn herkämen? Deutschland. Ach, klar, sind ja alle gerade aus Deutschland hier… Segler? Jo!

Irgendwie ist es auch eine lustige Atmosphäre, man spürt so richtig, dass alle darauf warten, weiter zu kommen. Hummeln im Hintern haben, wie man so schön sagt. Es wird über Wettermodelle und weitere Pläne gesprochen, egal an welchem Boot man vorbei kommt.

Wir starten zu einer Laufrunde von 10km, die uns auf Teilen der Strecke spüren lässt, wie stark der Wind heute ist. Die Berge des Nordens… Außerhalb der geschützten Stadt sind es wirklich noch einige Knoten mehr, mit denen die Luft und das Wasser bewegt werden.

Abends sitzen wir erneut mit Martin und Christina diesmal bei uns an Bord zusammen. Wir beschließen, mehr oder weniger gemeinsam nach Svendborg oder Ærøskøbing weiter zu segeln. Die Männer sind der Meinung, dass morgen der Wind nachlässt und wir los können. Wir geben uns noch gegenseitige Ratschläge zu Spinnaker und Anker, reden über Gott und die Welt, die Unterschiede von Dänemark zu Deutschland, insgesamt ist es eine sehr nette, neue Bekanntschaft, die uns der Sturm beschert hat.

9.8.23 Nyborg - Svendborg 24,4sm

Am nächsten Morgen scheint der Sturm vorbei gezogen zu sein. Im Hafen ist alles ruhig. Martin und Christina legen ab, wir folgen wenig später. Es sind zwar immer noch Böen von über 20kn angesagt, aber zum einen bleiben wir dicht an der Küste, es herrscht ablandiger Wind, dadurch sollte wenig Wellengang sein, zum anderen wollen wir weiter! Das Ablegen aus unserer geschützten Ecke fällt nicht schwer, wir lassen uns mehr oder weniger hinaustreiben.

Der Wind soll okay sein, so dachten wir. Aber was heißt okay wirklich??

Kurz nach Verlassen des sicheren Hafens ist doch noch ordentlich Wind zu spüren. Erst wollen wir das Groß im 2. Reff hissen, entscheiden uns dann aber doch schnell fürs 3. Reff. Noch sind es um die 20-25kn Wind. Ein bisschen Fock dazu geht noch. Auf einmal drückt uns eine Böe mit fast 35 Knoten, also Windstärke 7 auf die Seite, ich muss Kraft aufbringen, um das Ruder halten zu können und Tabaluga auf Kurs zu halten. Uiuiui, das ist doch noch mehr als angesagt. Wir verkleinern die Fock wieder, zum Glück ist so ein Rollsegel ja dann flexibel. Ich muss gaaaaaanz tiiiiief durchatmen. Bernd fragt: zurück in den Hafen?? Nein! Die See ist flach, das Schiff ist stark, es kann nichts passieren, wir können das!

Also segeln wir weiter, es gilt, die persönlichen Grenzen zu verschieben und Sicherheit zu gewinnenn. Die 35kn Böe war zum Glück nur einmalig, aber bis 30kn weht es immer mal wieder. Die Segeleinstellung passt und wir sausen durchs Wasser. So schlecht ist das gar nicht, wie gesagt, kaum Welle…

Nur das letzte Stück in den Svendborg Sund ist ein bisschen unangenehm, da wir mit Motor gegen den Wind ankämpfen müssen. Aber das schaffen wir auch noch und finden dank eines sehr netten Hafenmeisters einen schönen Längsseitsplatz im Hafen von Svendborg. Von weitem sehen wir X-MACK, die Yacht von Christina und Martin. Auch sie haben wohl aufgegeben und sind nicht bis Ærø durchgesegelt.

Der Hafenmeister schenkt uns zur Begrüßung sogar noch zwei Lakritzpfeifen. Wir wundern uns, dass der Hafen voll ist, aber klar, die meisten sind heute nach dem Sturm noch nicht losgefahren. Wir waren doch relativ einsam auf dem Wasser heute.

Da wir Svendborg noch gar nicht kennen, satteln wir schnell die kleinen Italiener und starten zur Stadtrundfahrt. So ein wunderbares Städtchen, wir sind ganz begeistert. Die Kondition reicht nur nicht mehr für intensive Ausflüge, der Tag war doch anstrengend. Ich bin so müüüüüde und wir sind zeitig wieder an Bord. Eine recht große Ketsch legt neben uns an, mit drei gestandenen Seebären an Bord. Gleich wird klug geschnackt (tolles Schiff blablabla…), ich hab nach zwei Minuten genug und verhole mich endgültig in die Koje.

10.8.23 Svendborg - Ærœskœbing 13,7sm

Die Sonne lacht vom Himmel, es ist unser 4. Hochzeitstag und da kann es nur ein Ziel geben: zurück an den Ort des Geschehens! Wenn wir es schon nicht nach Anholt geschafft haben, so ist uns das Wetter hold und lockt uns nach Aeroe! Die Schnacker neben uns haben es nicht eilig, so dass wir noch einen Stadtrundgang machen können. Die Mühle und die alte Werft mit Segelbootmuseum haben wir gestern Abend nicht mehr geschafft.

Als wir an Bord zurück kommen, ist die Nachbarcrew erst beim Frühstück und hat es kein bisschen eilig. Nun wollen wir aber doch los und bitten sie, uns Platz zu machen. Die Faulheit siegt und anstatt weg zu fahren, lassen sie die Vorleine an Land und wir sollen einfach rausfahren. Da uns der Wind aber leicht gegen die Hafenmauer drückt, müssen wir ordentlich Gas mit dem Bugstrahlruder geben, um nicht auf die vor uns liegenden Boote zu treiben. Letztendlich ist es ein echt grenzwertiges Manöver und ich nehme mir vor, demnächst die Faulheit anderer nicht auf Kosten unserer Sicherheit zu akzeptieren. Richtig wäre es gewesen, in aller Ruhe in die Spring einzudampfen, um sicher aus der Lücke zu kommen. Es geht zum Glück alles gut, aber mein Skipper bestätigt schlussendlich dann doch meinen Eindruck: es sind halt Schnacker 😉.

Der Weg nach Ærø ist ruhig, wir sind total faul, setzen nur die Genua und schaukeln gemütlich unserem Ziel entgegen. Im alten Hafen liegt schon die X-MACK und wir gehen längsseits. Christina und Martin helfen uns beim Anlegen und ich freue mich wie Bolle darüber, ausgerechnet heute hier zu sein! Es ist einfach traumhaft schön hier, wie immer. Wir sind in diese Insel verliebt und ganz besonders in die kuschelige Altstadt von Ærøskøbing. Könnte man hier vielleicht leben? Es stehen einige Häuser zum Verkauf, allerdings sind sie keine Schnäppchen und sicherlich auch nicht günstig im Unterhalt mit den gegebenen Denkmalschutzauflagen.

Abends gehen wir schön essen und trinken im Anschluss noch einen Sekt mit den Dänen. Endlich ist es herrlich ruhig und warm an Deck, nach dem Wetter der letzten Tage einfach nur ein Wohltat.

11.8. 23 Ærøskøbing

Da das Wetter endlich schön ist, wollen wir nicht noch eine Nacht im Hafen verbringen und fahren kurz “um die Ecke” in die Bucht neben dem Hafen. Den heutigen Tag wollen wir nutzen, um die kleinen Italiener herauszuholen und ein bisschen über die Insel zu radeln. Wir verstecken Schlauchi am Ufer im Dünengras und düsen los. Zugegeben ist es nicht ganz ohne, hier mit den kleinen Rädern unterwegs zu sein, in der Mitte der Insel gibt es schon einige Anhöhen, die zu bewältigen sind. Die kleinen Reifen brauchen ein wenig frische Luft, vielleicht wird es dann ein bisschen einfacher. An einer Tankstelle versuchen wir unser Glück mit der Druckluft, aber entweder wir sind zu blöd, diesen Automaten zu bedienen oder er ist kaputt. Jedenfalls ist nun die Luft aus einem Reifen komplett raus und wir stehen etwas dumm da. Zum Glück ist ein paar Meter weiter eine Autowerkstatt und ohne jegliche Diskussion haben wir innerhalb weniger Minuten vier proper gefüllte kleine Reifen. Wie immer sind die Dänen super nett und hilfsbereit. Außerdem bekommen wir die Bestätigung, dass wir nicht zu dumm sind, den Automaten an der Tankstelle zu bedienen, er IST kaputt!

Wir können uns heute auch noch revanchieren, eine gute Tat pro Tag… Nachdem wir in Marstal die ebenfalls wunderschönen Strandhäuschen erkundet und noch einen Kaffee am Hafen getrunken haben, machen wir uns langsam auf den Rückweg. Wir treffen eine junge Frau, die ein Lastenfahrrad schiebt, in dem ein Mädchen sitzt und noch einem weiteren Fahrrad in der anderen Hand. Erst überholen wir sie, ich hab aber schon ein komisches Gefühl dabei. An der nächsten Anhöhe warten wir und Bernd hilft ihr den Berg hoch. Erst dann traut sie sich zu fragen, ob wir ihr helfen würden. Es ist eine junge Deutsche, der Mann ist mit dem kleinen Sohn im Krankenhaus, er hat einen Fuß zwischen die Speichen bekommen. Sie will nun mit den beiden Fahrrädern und dem Mädchen zurück nach Ærøskøbing, weil sie die Räder beim Verleih zurück geben muss. Es sind sicherlich noch gute 7-8km bis dahin. Ohje ohje, was für ein Drama! Wir laden also einen kleinen Italiener zusammen gefaltet samt Kind in das Lastenfahrrad, Bernd nimmt das andere Fahrrad und wir begleiten die beiden zum Fahrradverleih in Ærøskøbing. Die Familie ist mit dem Boot im Hafen Søby, den Rest des Weges wollen sie mit dem Bus fahren. Mehr können wir nicht tun und hoffen, dass sich der Kleine nicht allzu schwer verletzt hat.

Insgesamt sind wir heute 30km geradelt. Abends frischt der Wind kurz auf, wird aber bald wieder milder. Der Anker hält, kein Problem! Wir machen noch einen Abendspaziergang und ich sammele Samen von Stockrosen, um ein bisschen Dänemark mit nach Hause zu nehmen 😍.

12.8.23 Ærøskøbing - Marina Minde 36,5sm

Am Morgen regnet es, laut Wetter App soll es aber bald wieder aufhören! Die Hoffnung auf einen schönen letzten Segeltag in Richtung Heimathafen geben wir so schnell nicht auf. Da ich wie immer den Kauf von Mitbringseln auf die letzte Sekunde vertagt habe, müssen wir noch einmal an Land und shoppen gehen. Zwischendurch hatte der Regen aufgehört, es fängt aber schon auf dem Rückweg zu Schlauchi wieder an 🌧️. Und so rüsten wir uns mit einigermaßen wetterfester Kleidung (ich) oder der obligatorischen kurzen Hose (Bernd, “es ist Sommer!”) aus und lichten den Anker. Und wie es sich für den letzten Urlaubstag gehört, kommt dann doch die Sonne heraus und es wird warm. Bei wunderbaren 10-12kn Wind läuft es unter Segeln optimal.

Ja, bis zur nächsten Wetterfront… und die kommt mit so unfassbar viel Wasser von oben, dass ich sicher bin, das der Wasserspiegel in der Ostsee dadurch steigen muss… Wir machen das Bimini auf und Segel runter und steuern unter Motor den direkten Weg nach Marina Minde an. Der Wind ist auch komplett weg, das Meer und der Regen verbinden sich zu einer grauen Masse, die nur von den Regentropfen auf dem Wasser in Unruhe gebracht wird. Mein Mann weigert sich weiterhin konstant, Ölzeug anzuziehen, Zitat siehe oben: es ist Sommer! 😆

Kurz vor Minde entstehen ein paar Löcher in der Wolkendecke und wir können einigermaßen trocken anlegen. Das Manöver gelingt einwandfrei und bei erneut einsetzendem Regen genießen wir das letzte Anlegerbier der diesjährigen Sommerreise! 🍺. Das Wetter war komplett anders als im letzten Jahr und dennoch sind die Erlebnisse eines solchen Törns immer unvergesslich. “Sommer in Dänemark” war das meistgenutzte Zitat der diesjährigen Reise, das diesjährige Wetter also eher der Normal- als der Ausnahmefall. Ein bisschen weniger Regen und Wind hätte es dennoch sein können, aber wer oder was ist schon perfekt?? Wir genießen jeden Tag an Bord, das ist sicher, und jetzt freue ich mich darauf, meinen Bordhund wieder abzuholen und die nächsten Törns und Bootsverschönerungen zu planen.

⛵️