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Stadtrundfahrt, Pannen und jede Menge Regen

30.7.23 Aarhus

Am Morgen höre ich kurz nach dem Frühstück einen Schrei aus der Steuerbordheckkajüte (auch Werkstatt, Lager oder simpel Rumpelkammer genannt): “Jippiehjajeeee Schweinebacke!” Erst ist mir nicht klar, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist, aber als ich den von einem Ohr bis zum anderen Ohr grinsenden Skipper sehe, der sein lang vermisstes Kabel-Messgerät in den Fingern hält, ist alles klar! Es war wohl im wahrsten Sinne des Wortes unter die (Fahr-)Räder gekommen… Gut, dass das neu bestellte Messgerät den Ansprüchen nicht genügte und schon auf dem Versandweg zurück ist.

Wir starten gut gelaunt und mit Sonnencreme versorgt mit unseren kleinen Italienern in den Tag (für Neuleser: unsere Klappfahrräder aus Italien, die uns jetzt schon seit 10 Jahren begleiten).

Entlang an den Hafenanlagen fahren wir zu den imposanten Neubauten an der Waterfront, die wohl jede skandinavische Stadt heutzutage aus ihrem alten Hafengelände neu zu gestalten versucht. Das “Iceberg” genannte Gebäude ist wirklich beeindruckend mit all seinen Winkeln und den blauen Balkongeländern.

Nach Bestaunen der Waterfront radeln wir kreuz und quer durch die Stadt, genießen ein sehr leckeres italienisches Sandwich und überlegen, welche Sehenswürdigkeit wir noch absolvieren “müssen”. “Den Gamle By”, die alte Stadt, ein Freilichtmuseum soll sehr empfehlenswert sein. Eine Zeitreise durch mehrere Jahrhunderte dänischer Geschichte gefällt uns dann auch wirklich gut. Die Häuser wurden teilweise in anderen Städten abgebaut und dort wieder aufgebaut.

Während wir so daherschlendern, fängt es langsam an zu regnen. Die Regenjacken liegen natürlich auf dem Boot. Egal, wäre nicht das erste Mal, dass wir pitschpatschnass wieder auf dem Schiff ankommen, weil der skandinavische Sommer im Normalfall recht durchwachsen ist. Die drei Wochen Sonne und Hitze im letzten Jahre waren doch eher die Ausnahme.

Im Regen fahren wir noch zum AROS, das Kunstmuseum, das einen betretbaren gläsernen Kreis in Regenbogenfarben auf dem Dach bietet, den ich gerne mal durchlaufen würde. Leider kann man aber nur aufs Dach, wenn man Karten für die gesamte Ausstellung kauft. Das ist uns zuviel, das Museum schließt auch gleich, das lohnt sich nicht mehr.

Also fahren wir noch weiter, Richtung Schloß Marselisborg, dem Sommersitz der königlichen Familie. Das Schloß ist schwer zu finden, nur mit Hilfe von Google Maps. Ausgeschildert ist nichts. Wenn Königs da sind, kommt man nicht in den Schloßpark, aber sie scheinen gerade Regierungsgeschäften nachzugehen. Mittlerweile hat sich der Regen eingespielt und tröpfelt gleichmäßig vom Himmel und aus den Baumwipfeln. Wir laufen durch den Schloßpark und finden das Schloß halb eingerüstet vor. Deshalb sind Königs also nicht da, auf einer Baustelle zu wohnen, macht ja auch keinen Spaß. Ansonsten ist es sehr schlicht, fast gutbürgerlich, gar nicht protzig und hochherrschaftlich. Hier und da finden wir Skulpturen im Park und bei Sonne bestimmt leuchten die sorgfältig angelegten Blumenbeete bestimmt herrlich. Nun sind wir aber durchnässt und machen uns auf den Rückweg zum Hafen.

Was uns an Aarhus besonders auffällt, dass es eine bunte, junge und sehr sportliche Universitäts-Stadt zu sein scheint. Wir sehen viele Fahrradfahrer und Läufer, Segelsport im Nordhafen, Wasserski, Stand-Up-Paddler und Kajakfahrer in den Kanälen und viele Familien mit noch mehr Kinderwagen oder Lastenfahrrädern als Kindertaxi. Wir mögen das Flair und wundern uns, warum noch kein Kreuzfahrtschiff hier im Hafen liegt. Nein, falsch, wir freuen uns, dass dem nicht so ist, und die Stadt deshalb nicht überfüllt und touristisch, sondern eine ganz normale Stadt an der Ostsee sein darf, in der Menschen leben, studieren und arbeiten.

31.7.23 Aarhus

Was haben blaue, zerkratzte Finger, ein Kran und zerschnittene Leinen gemeinsam? Heute lief der Tag definitiv nicht wie geplant! Um es vorweg zu nehmen, allen geht es gut. Tabaluga und uns ist nichts passiert…

Der Plan für heute sieht ganz guten Wind und den Törn nach Grenå vor. Dort waren wir zwar schon mal, ist aber lange her und ein guter Ausgangspunkt entweder nach Anholt oder doch noch zum Limfjord. Außerdem ist dort ein großes Meeres-Aquarium, das wir beim letzten Mal aufgrund der Eile nicht besucht haben. Das möchte ich dieses Mal nachholen.

Der Wind kommt seitlich, wir legen also eine Leine nach vorne, um uns beim Rausfahren aus der Box gerade halten zu können. Bernd fährt langsam zurück, ich hole so schnell ich kann Meter um Meter Leine ein. Puh, die war ein bisschen zu lang. Aber kein Problem, wir sind frei, mit Hilfe des Bugstrahlruders können wir den Bug in den Wind drehen und losfahren. Aber auf einmal zickt das Bugstrahlruder und gibt komische Geräusche von sich. Da sich unsere Batterien mittlerweile etwas schwer tun, habe ich die Befürchtung, dass diese überfordert sind. Bernd muss noch einmal zurückfahren, um Tabaluga sicher auf Kurs zu bringen, aber es geht auch ohne Bugstrahlruder. Beim Rausfahren aus dem Hafen sortiere ich die Leinen und auf einmal durchfährt mit ein Riesenschreck: es waren nicht die Batterien, sondern die lange Hilfsleine muss von Deck gerutscht sein und ihr Ende hat sich ins Bugstrahlruder gewickelt… so ein verdammter Mist! Glück im Unglück: in der Heckschraube wäre es übler.

Was tun? Ich ärgere mich masslos über meine Unachtsamkeit, bin den Tränen nah. Der Wind ist noch recht kräftig, wir versuchen erstmal zu ankern und per Tauchgang zu schauen, was die Leine macht. Der Skipper springt ins Wasser und schafft es zunächst, die Leine abzuschneiden, aber es hängen Reste in dem kleinen Propeller, die so einfach nicht zu entfernen sind. Der Versuch das ganze ohne Handschuhe zu machen, war auch nicht sonderlich clever, die vielen kleinen Muscheln schneiden Bernd gehörig die Finger auf… mit blutenden Fingern holt er den Anker wieder rauf, wir fahren zurück in den Hafen und legen direkt unterm Kran an. Erstmal sicher sein, duschen, Finger versorgen.

Ich versuche, irgendwie einen Kontakt zu einem professionellen Taucher ausfindig zu machen, denn ohne Flasche zu tauchen, scheint keinen Sinn zu machen. Der Hafenmeister hat keine Idee, weiß nur, dass wir bis 14 Uhr unterm Kran weg sein müssen, denn dann soll ein anderes Boot ins Wasser gesetzt werden. Bernd versucht doch noch mal einen weiteren Tauchgang, dieses Mal mit Handschuhen, aber es ist zwecklos. Zum einen die Sicht, zum anderen die Luft. Auch mit Schnorchel ist es einfach zu anstregend, unter Wasser zu arbeiten. Ein paar junge Leute sind sehr bemüht uns zu helfen und finden per WWW auch jemanden, der uns für einiges Geld helfen könnte, wir überlegen hin und her…

Dann kommt der Kranführer zu uns und bietet uns an, “uns mal kurz aus dem Wasser zu heben, wir hätten eine Stunde Zeit”. Wir verhandeln über den Preis, er will weniger als der Taucher! Das ist wohl die beste Idee, gesagt, getan, kurze Zeit später hängt Tabaluga am Haken, mit vereinten Kräften zerschnippeln wir die Leinen im Propeller, es funktioniert alles noch, nichts ist kaputt gegangen. So können wir auch mal den Bewuchs vom Rumpf kratzen und schauen, ob alles in Ordnung ist. Wie sag ich immer so schön: nichts ist so schlecht, dass es nicht für irgendwas gut ist… Beweisfotos hab ich leider keine, das Handy lag an Bord, als Tabaluga am Haken hing. Aber der Kran, die wunden Hände von Bernd und die zerschnippelten Leinen sind dokumentiert 😆.

Zurück im Wasser fahren wir in eine schöne große Box mit seitlichem Steg, um kurze Zeit später festzustellen, dass dieser luxuriöse Liegeplatz mehr als das Doppelte der letzten beiden Nächte kosten soll. Nee, sorry, das auch wieder nicht. Also noch mal umparken, das waren heute genug Hafenmanöver. Um noch aufzubrechen, ist es zu spät und wir sind nach der Aufregung auch fertig. Also gönnen wir uns einen ruhigen Abend, radeln noch ein bisschen, laufen durch ein Wildgehege mit annähernd zahmen Sikahirschen, essen ein dickes Eis und lassen den Tag ruhig ausklingen.

So ein verrückter Tag! Aber wir haben gelernt: die Dänen sind alle sowas von freundlich und hilfsbereit, es hat uns niemand Stress gemacht, sondern jeder hat überlegt, was man Sinnvolles tun kann. Kommentar vom Kranführer Lasse: Shit happens! Wo in Deutschland hätte man mal eben so ein dreizehn Tonnen schweres Schiff aus dem Wasser gehoben, wenn man es nicht Wochen vorher angemeldet hätte…?

1.8.2023 Aarhus - Knebelbucht

Noch eine Nacht im Stadthafen zu verbringen, ist uns zuviel. Der Wind ist allerdings auch weg, deshalb tuckern wir weiter Richtung Norden in die Bucht hinein. Eine kleine Hafenrundfahrt, um die Waterfront in ihre Gänze zu betrachten, machen wir noch und sehen zum ersten Mal ein Zeichen: Segler verboten! In den Industriehafen dürfen wir nicht hinein 🥲.

In der schön geschützten Knebelbucht können wir ankern und das Boot alleine lassen, um in das Naturschutzgebiet Mols Bjerge zu laufen. So denken wir… Wir machen an einer Boje fest, machen ein kurzes Nickerchen und nach dem Kaffee: Regen, Regen, Regen… wir haben keine Lust, noch irgendwo hinzulaufen. Sommer in Dänemark. Irgendwann verzieht sich der Regen aber doch noch und wir machen einen ausgiebigen Abendspaziergang bei unfassbar schönem Licht.

⛵️