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Kopenhagen

11.8.2022 Gilleleje - Kopenhagen 31,8sm

Und wieder startet der Tag mit Sonne und ohne Wind. Wir überlegen, wie wir unseren Törn weiterhin planen wollen. Im Kalender stand schon seit dem Frühjahr die Hanse Sail in Rostock. Ein ehemaliger Projektkollege und sein Sohn wollen uns dort gerne treffen und mit uns von Rostock nach Kiel segeln. Wir überlegen, schauen in die Seekarten und Wetterberichte, aber es hilft alles nichts: Rostock ist bei den Windverhältnissen zu weit weg. Wir müssten fast ausschließlich motoren und hätten dann Westwind auf die Nase. Es macht einfach keinen Sinn, wir müssen die kürzere Route durch das Smålandsfahrwasser südlich von Møn nehmen. Schweren Herzen sagen wir den beiden Bescheid und hoffen auf das nächste Jahr.

Mit der Entscheidung starten wir ruhig in den Tag, es ist warm und segeln wenig bis gar nicht möglich. Irgendwann starten wir eben doch den Motor. Es geht in den Öresund, Schweden ist ganz nah und wir können das Schloss von Helsingør fast vom Wasser aus besichtigen, so dicht fahren wir am Ufer entlang.

Wir lassen die Meerenge hinter uns, fahren an der kleinen Insel Ven vorbei, die wir 2016 schon mal besucht haben (die Geschichte mit dem Papagei auf dem Nachbarboot…) und steuern die dänische Hauptstadt Kopenhagen an.

Jan, Bernds Cousin, hat uns zwei Häfen genannt, die in seiner Nähe wären, wir schauen in die Karte und entdecken den Tuborg Hafen. Klingt gut, das probieren wir. Die Einfahrt des Hafens ist nicht “betonnt”, sondern “beflascht”, eine rote und eine grüne überdimensional große Tuborg Flasche laden Gäste ein, hereinzukommen. Das finden wir so cool, dass wir das auch gleich machen!

Da nicht ganz klar ist, welcher Liegeplatz frei ist, funken wir den Hafenmeister an, der uns den Weg zu einem freien Fingersteg weist. So ein herzliches Willkommen vom Hafenmeister, Peter sein Name, haben wir selten erlebt. Mit den Worten „Landed like an eagle“! begrüßt er uns am Steg, ein gelungenes Anlegemanöver (ohne Wind…) lässt uns gelassen ankommen. Er hilft uns festmachen, zeigt uns die Örtlichkeiten, freut sich über deutschen Besuch und auch Lieschen kommt nicht zu kurz: er hat Frolic für sie!! Der Hafen ist großstädtisch luxuriös, aber nicht überteuert, wir buchen gleich zwei Nächte. So genießen wir zufrieden und entspannt unser Anlegerbier in der dänischen Hitze und warten auf Jan und die Familie.

Und schon sind sie da: Jan, Priscilla, Luis und Valentina! Sie wohnen tatsächlich gerade mal einen Kilometer entfernt vom Hafen, waren aber noch nie dort. Die Kids versuche ich davon zu überzeugen, dass sie vorsichtig an Bord sein sollen und Onkel Bernd der Käptn ist, der absolutes Gehorsam verlangt! Sie merken natürlich, dass es nicht so bierernst gemeint ist, aber Bernd wird fortan nur noch Käptn genannt. Luis und Valentina bewegen sich so ohne Scheu und Angst übers Boot, dass wir schon ein wenig nervös werden, aber nichts passiert. Kindliche Neugier ist doch wunderbar, besser als schüchtern in der Ecke zu hocken! Wir genießen ein gemeinsames Bierchen (die Erwachsenen!), plauschen ein wenig und verabreden uns für den nächsten Tag für eine Stadtrundfahrt.

Unser Anlegeplatz hat einen Nachteil, direkt nebenan ist die Tankstelle. Von daher ist viel los, aber wir genießen das sich uns bietende Hafenkino. Schon unfassbar wie unbedarft manche Bootsführer sind, vor allem mit so kleinen Spaß-Motorbooten… Eine Luxus-Motoryacht, neben der Tabaluga klein wirkt, macht es sich leichter. Sie wird von Land von einem LKW betankt. Ich wage es nicht, mir die Summe vorzustellen, die so eine Tankladung kostet.

12.8.2022 Kopenhagen

Der Tag begrüßt uns erneut mit Sonnenschein. Wie soll denn die arme Liese bei dem Wetter durch die ganze Stadt kommen? Sollte sie vielleicht besser einfach an Bord bleiben? Jan kommt auf die Idee, sie doch einfach ins Lastenfahrrad vorne reinzusetzen! Coole Idee, das versuchen wir. Er holt uns am Steg ab, nachdem er Luis und Valentina in der Kita abgeladen hat. Priscilla bleibt mit der Jüngsten und ihrer Mutter zuhause. Liese findet das Cargobike super und dank Akku zieht Jan uns schnell von dannen. Mit unseren kleinen Italienern kommen wir kaum hinterher. Also tauschen wir kurzerhand die Räder, nehmen normal große von Jan und lassen die kleinen im Garten zurück.

So sind wir fix unterwegs und lassen uns von Jan die Stadt aus Sicht eines Fast-Einheimischen zeigen. Die Geheimtipp-Bäckerei, das Streetfoodfestival, den Delikatessenmarkt, schöne Straßen und Gassen. Die “normalen” Sehenswürdigkeiten wie Schloss Amalienborg und die kleine Meerjungfrau streifen wir nur am Rande, sie sind wie schon bei unserem ersten Besuch in Kopenhagen von Kreuzfahrttouristen bevölkert.

Nach dem Mittagessen im besagten Streedfootmarkt wollen wir mit dem Wassertaxi zurück zum Ausgangspunkt, aber uns wird die Mitnahme des Cargobikes verweigert. Insgesamt scheint Kopenhagen die fahrradfreundlichste Großstadt zu sein, die ich bisher erlebt habe, aber hier war wohl die Grenze des Wohlwollens erreicht. Schade, so müssen wir durch die gesamte Stadt zurück.

Auf dem letzten Kilometer gibt der Akku auf, so dass Jan ordentlich strampeln muss, um die Prinzessin Hund nach Hause zu schaffen. Es ist jetzt brüllend heiß, es reicht uns auch. Wir haben ausnahmsweise nicht getrackt, schätzen aber, dass wir fast 30km geradelt sind.

Den Nachmittag chillen wir an Bord und genießen das Hafenkino, dass sich uns wieder bietet. Um nur einige Höhepunkte zu nennen: anlegen ohne Leinen und Fender mit daraus resultierenden akrobatischen Verrenkungen, der verlorene Tankdeckel des Dieseltanks und der Versuch, ihn mit einem Kescher aus 7m Tiefe wieder herauszuholen. Bei letzterem haben wir noch unterstützt und den Kescher an Segellatten angeklebt, aber auch das hat nicht gereicht.

Irgendwann verabschieden wir uns von der spannenden Szenerie, um mit Jan und Familie gemeinsam Abend zu essen. Der Abend geht mit einer wunderbaren selbstgemachten Paella, Bier und Prosecco zu Ende, die junge Familie fällt allerdings bald der Müdigkeit anheim und wir verabschieden uns zügig. War das schön, es endlich mal zu den Ex-Pats geschafft zu haben! Wir sind gespannt, in welchem Land wir sie das nächste Mal treffen?

13.8.2022 Kopenhagen - Höllviken 23,5sm

Wie so oft haben wir nach zwei Tagen Großstadt das Bedürfnis nach absoluter Ruhe einer Ankerbucht. So nehmen wir - mal wieder nur mit Motorkraft - Kurs auf die südwestlichste Spitze Schweden, um von dort mit dem angesagten Ostwind nach Møn zu segeln. Nördlich von Møn können wir nicht passieren, da dort eine Brücke ist, die mit der alten Tabaluga so gerade noch passierbar war, aber nun leider zu niedrig für uns ist. Angegeben ist sie mit 20m Durchfahrthöhe, unser Mast hat knappe 20m, das wäre ein Spiel mit Zentimetern, das ist uns zu kritisch. Also müssen wir südlich an Møn vorbei, Zwischenstopp Klintholm.

Vor der Weiterfahrt müssen wir aber dringend noch Mineralwasser einkaufen, bei dem Wetter geht hier einiges durch. Mir kommt die schlaue Idee, nicht mit Hilfe der Fahrrädern oder sogar zu Fuß die Schlepperei anzufangen, sondern mit Schlauchi ans Ende des Hafens zu tuckern, wo eine große Einkaufsmall ist. Gesagt, getan, wir legen direkt vor der Mall an, dort findet sich ein Netto und können so bequem reichliche Einkäufe tätigen. Das ist einfach mal ne richtig gute Sache!

Während wir die Einkäufe verstauen, beobachten wir die Crew des Sail-GP Boots, das wohl für Trainingszwecke im Tuborg-Hafen liegt, ein schnittiger Katamaran. Die Ausrüstung wird akkurat sortiert, Rettungswesten und sogar Helme hängen fein säuberlich am Baum. Durchtrainierte Burschen erscheinen auf der Bildfläche, auf einmal springt einer von ihnen ins Wasser, wir staunen, was er da jetzt vorhat? Anscheinend muss einer von unten die Foils (die Flügel dieser Rennboote, um aus dem Wasser abzuheben) in die Rümpfe schieben, so dass diese von oben befestigt werden können. Wir fragen uns, wie die bei Windstärke 0-1 ins Foilen kommen wollen?

Wir werden herzlich vom zweiten Hafenmeister verabschiedet und starten unsere Weiterreise nach Schweden. Vor dem Tuborg-Hafen findet eine Tall-Ship-Regatta statt, bei null Wind anscheinend keine Freude. Ob die Paddel als Antrieb da wirklich helfen? Sind sie überhaupt erlaubt? 😉

Im Hafen von Kopenhagen liegen drei Kreuzfahrer, wie immer ist die Stadt wohl überfüllt. Auf einmal erblicken wir die Jungs mit dem Sail-GP-Boot in der Nähe der Kreuzfahrtschiffe und verstehen, wie sie zum Foilen kommen ohne Wind… sie lassen sich von einem Motorboot schleppen! Training bei jedem Wetter, das Abheben aus dem Wasser ist sicherlich ein Akt höchster Balance und dann noch ohne die Stabilisierung des Bootes durch Segel und Winddruck - Respekt!

Während der gesamten Fahrt begleitet uns der Blick auf die Öresundbrücke und in der Ferne der “Turning Torso”, das auffällige Hochhaus im Herzen Malmös. Die Öresundbrücke müssen wir nicht durchfahren, wir können die Passage westlich der Insel Saltholm nehmen, hier ist die Autobahn noch im Tunnel verborgen. Direkt über uns starten die Ferienflieger, wir passieren ganz dicht Kopenhagens Flughafen Kastrup. Die Landebahn geht hier quasi direkt ins Meer über. Wenn da mal was schief geht…

Wir ankern vor der Halbinsel Skanör vor dem Örtchen Höllviken. Am nächsten Morgen wollen wir den kleinen Falsterbokanal passieren, um dann Kurs auf Møn zu nehmen. Wir genießen gerade das Ankerbier, als mir eine kleines Motorboot auffällt, auf dem die Besatzung mit ausgebreiteten Armen winkt. Ich hole unser Fernglas und beobachte sie ein Weile, es scheinen junge Leute zu sein, Panik scheint nicht zu herrschen. Vielleicht haben sie jemandem zugewunken. Aber das Winken wiederholt sich, ich weise Bernd darauf hin, der sofort entscheidet mit Schlauchi hinzufahren. Es stellt sich tatsächlich heraus, dass sie einen Motorschaden haben. Bernd schleppt sie mit Schlauchi in den nahe gelegenen Hafen, was sich mit einem 5PS Außenborder als nicht ganz einfach herausstellt, die Jungs sind zu sechst auf ihrem Boot. Ich hocke an Bord der Tabaluga, beobachte sie mit dem Fernglas und überlege, was ich tun könnte, wenn etwas schief geht. Überlege, ob ich es alleine schaffen würde, den Anker aufzuholen und zu den Havaristen zu fahren. Entscheide: ja, würde ich schaffen. Zum Glück muss aber niemand einschreiten. Im Hafen wird die Besatzung des Seenotrettungskreuzers auf das seltsame Gespann aufmerksam und fragt nach, ob alles in Ordnung ist. Wir fragen uns im Nachhinein, warum die jungen Leute nicht direkt dort angerufen haben, können uns das nur mit den vermutlich entstehenden Kosten erklären. Uns entschädigen sie mit dem wiederaufgefüllten Tank vom Außenborder und ein paar Dosen Bier, alles gut!

Nach der Aktion gehen wir noch baden und die Natur beschert uns wieder einmal einen unfassbar schönen Sonnenuntergang. Eins wundert uns allerdings massiv: die Straße, die auf die Halbinsel führt, ist stark befahren. Wo wollen die Leute hin? Da ist nichts. Also ein kleiner Ort, letztendlich ist es eine Sackgasse, was rechtfertigt den Verkehr wie zu Stoßzeiten im Berufsverkehr? Wir vermuten eine Verschwörung, es gibt hier doch einen geheimen Tunnel nach Dänemark! Oder nicht? 🧐