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Hier und jetzt!

Dumm gelaufen

Wie wichtig es ist, im hier und jetzt zu leben und sich nicht von tausenden Plänen und ToDo Listen verrückt machen zu lassen, lehrt uns das Leben mal wieder mit einer ordentlichen Lektion…

Mitte Juli lassen wir es uns nicht nehmen, das langersehnte Konzert von Coldplay in Berlin im Olympiastadion zu besuchen. Die Karten waren ein Weihnachtsgeschenk meines Liebsten. Auch wenn es etwas gewagt ist, angesichts zwei bevorstehender Familienfeiern und der immer noch angespannten Corona-Lage. Egal, denken wir, wir hatten bisher Glück, das wird uns auch weiterhin hold sein. Wir tun uns den Stress an und fahren an einem Tag hin und zurück. Das Konzert können wir leider nicht so genießen wie erhofft, es ist ein miese Akustik auf den oberen Rängen 😕. Geile Band, geile Show, aber nie wieder im Olympiastadion…

Total erledigt sind wir nachts um drei zuhause, fahren zwei Tage später zu meinen Eltern zum Geburtstag meines Vaters und rumms… erwischt uns das blöde C-Virus alle zusammen doch noch. Husten, Schnupfen, Schüttelfrost bei Außentemperaturen von 37 Grad. Gibt Lustigeres. Und zu allem Übel fällt damit auch die restliche Planung für die Zeit vor dem Urlaub aus, unter anderem ein für uns sehr wichtiger Termin. Wir sind frustriert und traurig, verschieben den Urlaub um eine Woche und setzen uns mit mäßigem Erfolg noch ein paar Tage an den Dienst-PC. So richtig schlecht geht es uns ja nicht, Homeoffice hält uns eh von anderen fern. Mein Kopf fühlt sich allerdings an wie mit Wattebällchen gefüllt, von Höchstleistung weit entfernt. Die Kollegen sind zum Glück tolerant und nehmen es mit Humor, dass ich drei Tage lang zu jedem Meeting zu spät erscheine, weil ich einfach die Zeit nicht im Griff hab. Schon komisch, dieses Virus…

Liese muss mit in den Urlaub, Ferien in Unna sind leider gestrichen, da meine Eltern auch noch nicht fit genug zum Hundesitten sind. Zum Glück wartet Tabaluga seelenruhig im Hafen auf uns, wir müssen nichts umbuchen, können einfach los. Und letztendlich ist keiner von uns wirklich dramatisch krank, was das viel größere Glück ist!

Durch den „Zeitgewinn“ zuhause schaffe ich es noch, die restlichen Gardinen für Tabaluga zu nähen und Bilder für Salon und Koje entwickeln zu lassen. Dennoch ist unsere Stimmung insgesamt etwas gedrückt als wir endlich losfahren Richtung Norden. Das werden Sonne, Segeln und Meer sicherlich im Laufe der drei Wochen richten!

29.7. - 30.7.2022 Marina Minde und Flensburg

Wir machen uns freitags Abends auf den Weg, die Hamburger Regierung hat die kluge Entscheidung getroffen, an einem Ferienwochenende den Elbtunnel zu sperren 🤬. Aber schon vor der eigentlichen Sperrung ab 22 Uhr ist die A7 dicht und wir müssen durch die Stadt. Wir wagen uns das Chaos am Reisesamstag gar nicht vorzustellen…

Im letzten Rest Tageslicht kommen wir in Marina Minde an. Drei volle Handkarren mit Taschen, Lebensmitteln und Kram laden wir an Bord, bevor wir in die Koje fallen. Und wie jedes Jahr der Seufzer: endlich Urlaub!! 🤩

Samstags fahren wir nach Flensburg, um die Vorräte zu ergänzen und ein paar wichtige Kleidungsstücke einzukaufen. So richtig Spaß an Stadt und Shoppingbummel haben wir nicht, obwohl Flensburg eine tolle Stadt ist. Den meisten Charme erhält sie durch ihre vielen Hinterhöfe mit kleinen Geschäften, Bars und Cafés.

Der Sonntag vergeht mit Basteln, Dekorieren, Reparieren, Aufräumen, Spazieren gehen und einem anständigen Regenschauer des Abends. Entschuldigung? Ich hatte Sommer bestellt??

1.8.2022 Marina Minde - Langballigau 5,2sm

Montags geht es endlich los. Über eine Woche später als geplant. Aber was soll es, wir sind einigermaßen auf dem Damm, Schlaf wird unterwegs nachgeholt und jetzt wollen wir einfach nur weg. Das Hier und Jetzt genießen! Uns, unser tolles Schiff, die Natur, einfach alles, was zum Seglerleben dazu gehört.

Ein Dokument fehlt Tabaluga noch und zwar ist die Gasprüfung nach deutschem Standard noch nicht durchgeführt worden. Im Hafen “gegenüber” könnte ein Herr das heute noch machen, also tuckern wir die 5 Seemeilen nach Langballigau. Wir können direkt vorm Hafenmeisterbüro quasi in der Hafeneinfahrt anlegen. Der Wind drückt uns auf den Steg, aber alles geht gut, auch vor einigen Schaulustigen. Carsten kommt wie versprochen an Bord, jammert ein wenig über die französischen Yachtbauer, aber alles ist soweit in Ordnung und wir bekommen das versprochene Siegel.

Wir überlegen, ob wir es uns gönnen, essen zu gehen. Leider wird daraus nichts, weil im ersten Restaurant direkt am Hafen Selbstbedienung angesagt ist und die Schlange bereits bis nach draußen reicht. Im zweiten Restaurant könnten wir uns bedienen lassen, allerdings 1-2h Wartezeit. Ach nee, dann koche ich doch lieber schnell selber was. Der Strand ist ebenso voll, viele Camper machen hier Ferien, die paar Segler fallen da gar nicht ins Gewicht. Wir genießen einen wunderbaren Sonnenuntergang und beschließen, morgen gleich nach Æerø durchzustarten.

2.8.2022 Langballigau - Ærøskøbing 35,2sm

Das Segeln mit der “neuen” Tabaluga macht uns immer mehr Freude, so kontinuierlich hohe Geschwindigkeiten haben wir mit der Najad nicht geschafft. Auf Halbwindkurs konstant mit 7,5 bis teils 8 Knoten zu segeln, bei max. 15 Knoten Wind bringt richtig Spaß. Dazu Sonne und die Aussicht auf unsere Lieblingsinsel. Die Stimmung an Bord steigt!

In Ærøskøbing ist der Hafen wie erwartet voll. So voll, dass wir recht schnell beschließen, draußen zu ankern. Im Päckchen liegen mit Hund muss nicht sein. Ein großer Getreidefrachter liegt im alten Hafen und wird gerade beladen, was natürlich nicht lautlos vonstatten geht. Dazu stellen wir fest, dass morgen ein Jazz-Festival startet, was vermutlich noch mehr Segler als üblich angelockt hat. Wir sind sicher: ankern ist die beste Idee. Das Schlauchboot ist leicht klar gemacht, um dann mit Lieschen an Land zu kommen. Natürlich sind die ersten Minuten und Stunden schon immer spannnend: hält der Anker? Können wir wirklich einfach so von Bord. Aber ja, alles ist gut, wir freuen uns wahnsinnig, wieder hier zu sein. Ist es nicht einfach wunderschön?

Der Frachter muss am Abend den alten Hafen verlassen und die Einfahrt ist verdammt eng! 82m ist das Schiff lang und voll beladen. Die Jungs und Mädels an Bord rangieren den Kahn aber souverän und ruhig aus dem Hafen, wir stehen am Kai und wünschen eine gute Fahrt.

Am Abend setzt Regen ein, Tabaluga wirkt wie ein Geisterschiff an ihrem Ankerplatz.

3.8.2022 Ærøskøbing

Am nächsten Morgen hat sich die Sonne wieder durch die Wolken geboxt. Meine Güte, ist dieses Fleckchen Erde schön. Hab ich, glaub ich, 2019 schon mal erwähnt 😍. Wir sind erneut begeistert. Der damalige Geheimtipp scheint sich leider herumgesprochen zu haben, es ist deutlich voller als 2019. Was vielleicht an einer Woche Unterschied liegt, jetzt sind noch Sommerferien in Dänemark bis zum Ende der Woche. Vor drei Jahren waren wir etwas später hier.

Nachmittags machen wir einen ausgiebigen Spaziergang zu den bunten Strandhäuschen und zur Steilküste der nördlich herausragenden Halbinsel. Das Wasser schimmert in allen Blau und Türkistönen, es ist unglaublich schön. Fast 8km sind wir unterwegs, uns tun Füße und Pfoten weh. Der Asphalt ist so heiß und weich, dass Lieschen an einer Stelle Pfotenspuren hinterlässt und danach sofort ins Wasser will zum Pfoten kühlen. Sie sucht sich dafür eine ungünstige Stelle mit vielen großen Steinen, kommt fast nicht mehr zurück und stolpert noch über eine Metallstange. Die Arme… aber es scheint nichts verletzt zu sein.

Wir denken noch einmal über Essen gehen nach. Aber auch hier wollen sie unser Geld nicht, das Lieblingsrestaurant ist Mittwochs geschlossen. Gönnen wir ihnen den Ruhetag. In der alten Werft beginnt das Jazzfestival. Wir gehen mal vorbei, aber so recht ist es dann doch nichts für uns. Jazz kann toll und auch unerträglich sein…

Also verbringen wir einen wunderbaren Sommerabend an Deck und stellen fest: das hier ist gerade unbezahlbar! Wir kommen ins Philosophieren, ob wir jetzt im Luxus leben und wenn ja, was ist denn der Luxus überhaupt? Ja, wir haben dieses tolle Schiff, das ist ohne Frage Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Das Leben an Bord ist aber denkbar einfach, wenig Platz, irgendwas ist immer defekt oder fehlt, wir kochen auf zwei Gaskochern, haben nur einen kleinen Kühlschrank. Wir sind Wind und Wetter ausgesetzt, manchmal ist es kalt, nass, laut, das Schiff zerrt im Sturm an seinen Festmacherleinen und man wünscht sich ein festes Dach über dem Kopf und nicht dieses elende Gewackel. Man reist ausgesprochen langsam, wird nass und kalt, es gibt auch beängstigende Situationen, was bitte ist die Faszination daran?

Die Antwort ist einfach: Freiheit ist der Luxus! Tun und lassen was man will, fahren wohin man will und sein Zuhause dabei haben. Man kann die Einsamkeit suchen oder die Häfen mit Partymeile. Man kann jeden Tag irgendwo essen gehen oder ein einfaches Leben mit Bordmitteln leben, wie wir es bevorzugen. Mal ist es ruhig, mal ist es aufregend, kein Tag ist wie der andere. Für das Leben hier würde ich jedes Fünf-Sterne-Hotel der Welt links liegen lassen! (Okay, auf die Malediven wollte ich schon noch mal, aber da kann man ja auch hinsegeln!). Ich vermute, jeder Bergsteiger, Wohnmobilcamper, Radfahrer, die auf ihre Art und Weise reisen, wird das bestätigen. Die Freiheit und das Erleben der Welt aus der selbst geschaffenen Perspektive ist das, was es ausmacht!

Und Tage mit Sonne und Wind, perfektem Segeln und Abende wie dieser wiegen alles schlechte Wetter um ein hundertfaches auf!

4.8.2022 Ærøskøbing - Thurø 16,4sm

Am Morgen erleben wir mal wieder ein anderes Phänomen, das gerade mich als Frau und Ingenieurin massiv ärgert. Liebe Frauen, lasst euch doch bitte nicht von euren Segler-Männern so herumkommandieren. Wie oft erleben wir die gleiche Szene: der Mann steht am Ruder und brüllt die Frau an, die verzweifelt, anscheinend unwissend und oft ungeschickt mit diversen Leinen, Fendern oder sonstigem hantiert. Meist schallt es durch den ganzen Hafen, peinlicher geht es oft kaum. Und liebe Männer: könnt ihr euch bitte zusammenreißen und vielleicht mal darüber nachdenken, wie das Gebrüll auf die Frauen und alle Mitmenschen drumherum wirkt? Wir sind doch nicht beim Militär, sondern im Urlaub.

Wir fragen uns immer: warum ist das so? Natürlich sind auch bei uns gerade am Anfang einige Manöver schief gelaufen und wir haben uns gegenseitig beschuldigt. Aber letztendlich bringt es gar nichts, also überlegen wir uns heute für jedes Manöver den Ablauf, jeder weiß, was theoretisch zu tun ist und meistens funktioniert das auch ganz gut. Und wenn mal einer einen Fehler macht, ist das eben so, irgendwie klappt es letztendlich dann doch. Besprochen wird es im Anschluss beim Anlegerbier. Als Tüpfelchen auf dem i haben wir uns gerade Funkgeräte gekauft mit Knopf im Ohr (aus dem Reitsport übrigens), um so ganz dezent miteinander kommunizieren zu können, ohne dass es der gesamten Hafen oder die Ankerbucht hört. Bei dem fast vierzehn Meter langen Schiff wirklich eine großartige Errungenschaft.

Zurück zu den Frauen: bitte macht euch doch im Vorfeld ein bisschen vertraut mit der Materie Segeln! Dann ihr könnt selber mitdenken und handeln und habt es nicht nötig, euch anbrüllen zu lassen. Auch in einem Notfall sollte frau in der Lage sein, die notwendigen Dinge zu regeln, z.B. am Funkgerät die Position durchgeben, um Hilfe zu holen. Es gibt Segelschulen, die sogar Kurse nur für Frauen anbieten, frau dumme Fragen stellen darf und unter Gleichgesinnten lernen kann. Vielleicht reicht auch schon für den Anfang die Lektüre eines Buches? Gleichberechtigung entsteht nicht durch Reden, sondern durch Machen!!

Heute morgen erleben wir also mal wieder so eine Szene, er brüllt über die gesamte Bucht beim Ankereinholen: “Jetzt leg mal den Knüppel auf die Seite, wo du jetzt stehst!!!”. So, wer kann das in Seglerlatein übersetzen? Ich muss einen Moment drüber nachdenken: “Pinne nach Backbord”. So ein paar Basisbegriffe sollten doch untereinander geklärt sein, wenn man zu zweit lossegelt, oder? 😳. Allein aus Sicherheitsaspekten unerlässlich!

Genug der Gleichberechtigungswünsche, wir holen ohne großes Theater den Anker hoch, wobei unsere Kommunikation dieses Mal auch nicht perfekt funktioniert (Knopf im Ohr vergessen).

Es ist so warm, dass wir in Badesachen segeln können, fast schon zu warm. Lieschen verkrümelt sich freiwillig nach unten, wenn die warme Luft im Cockpit steht und die Sonne reinknallt.

Wir beschließen durch den Svendborgsund zu fahren, halten aber nicht in der Stadt, es ist einfach zu heiß für Stadtbummel. Irgendwann müssen wir hier aber noch mal pausieren, im Vorbeifahren sieht Svendborg wunderschön aus. So suchen wir uns die nächste Ankerbucht, finden sogar eine Ankerboje und gehen schwimmen. Autsch, heute erwischen uns ein paar Quallen… nicht wirklich schlimm, aber so ein Gefühl wie eine Brennessel am Bein. An Land wartet ein Zauberwald aus alten Buchen auf uns, hier ist es gleich um ein paar Grad kühler und Lieschen erwacht ein bisschen zum Leben. Wir tuckern mit Schlauchi einmal quer über die Bucht, um in einem winzig kleinen Laden frisches Brot und ein paar Kleinigkeiten einzukaufen.

Nach Baden und Duschen an Bord kommen auf einmal Böen auf, die uns an der Haltbarkeit der Ankerboje zweifeln lassen. Sind wir vielleicht doch zu schwer für das Teil? Zum Glück dauert es nicht lange und das Wetter beruhigt sich wieder, ein ebenso wundervoller Abend an Bord geht zu Ende. Die Nacht ist ruhig, aber es kühlt merklich ab.

5.8.2022 Thurø - Nyborg 22,1sm

Der Tag beginnt ohne Sonne und mit wenig Wind, der dann auch noch nachlässt. Segel gesetzt, Motor gar nicht ausgemacht, Segel irgendwann wieder runtergeholt: es ist sinnlos, segeln zu wollen. Wir nehmen Kurs auf Nyborg, eine etwas größere Stadt mit einem großen Hafen. Hier können wir das angesagte, nicht ganz so tolle Wetter aussitzen, die Vorräte aufstocken und den Weg in die nächsten einsamen Ankerbuchten planen.

Kurz vor Nyborg fängt es dann an zu regnen. Im Hafen finden wir schnell einen Längsseitsplatz, gehen eine Runde spazieren bis uns der Hunger übermannt und verbringen den Rest des Abends mit Blog schreiben und Kartenmaterial sichten.

6.8.2022 Nyborg

Das Wetter ist heute pustig und ungemütlich, daher beschließen wir in Ruhe einkaufen zu gehen und den guten Liegeplatz für heute nicht aufzugeben. Wir erkunden die Stadt und die Neubauten am Hafen entlang. Hier ist noch Platz für mehr…

Abends kommt ein Segelboot nach dem anderen herein, Holländer. Für sie war ein kompletter Steg reserviert, das hatten wir bereits am Abend zuvor gesehen. Die “Ocean People” sind eine Vereinigung, mit der man in der Flotille größere Törns machen kann. Recherchen ergeben, dass sie von Den Helder über die Nordsee nach Norwegen und zurück über Dänemark und den Nordostseekanal unterwegs sind. Heute stoppen sie also in Nyborg, 17 Schiffe zählen wir. Die erwartete Stegparty fällt allerdings aus, anscheinend steht doch Segeln im Vordergrund 😉.

Unsere Routenplanung ist ja auch immer abhängig von Brückenhöhen, aber wir wissen leider nicht ganz genau, wie hoch unser Mast ist. Im Handbuch steht etwas von ca. 19m über Wasser, François ist sich aber sicher, dass Cybéles Mast über 20m hoch ist. Also hilft nur nachzumessen. Der Käptn lässt sich in den Mast ziehen und wir versuchen, die Höhe auszuloten. So ganz gelingt es bei relativ viel Wind und einem viel zu dünnen Bändsel nicht. Wir kommen aber auch auf ca. 20m. Die Messung müssen wir definitiv noch mal überprüfen.

Der Tag endet ruhig, morgen geht es weiter bei hoffentlich gutem Wind!