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Sturm, Freunde und das Töwerland

16.8.2021 Borkum

Und der Sturm kommt! Und Sturm ist nur, wenn die Schafe keine Locken mehr haben 😉… Am Morgen weht es mit guten 25kn, Tendenz deutlich nach oben. Wir lassen uns trotzdem nicht einschüchtern, denn die Sonne scheint noch die meiste Zeit. Ein paar Schauer kommen ab und zu herunter, aber wir sind ja schließlich nicht aus Zucker.

Wir leihen uns Fahrräder und radeln über die Insel. Gegen den Wind ist das ordentlich Sport, den wir da betreiben, aber auch das schadet uns nicht wirklich 😉. Die verbrauchten Kalorien füllen wir in einem Strandrestaurant schnellstmöglich wieder auf, wir lassen es uns einfach mal so richtig gut gehen. Mein Eindruck von Borkum? Mit Juist kann eh keine Insel mithalten. Es fahren Autos, es ist städtischer, nicht so “urig” wie meine schönste Sandbank der Welt… aber der Strand ist traumhaft!

Am Abend setzt der Regen ein und der Wind beschleunigt auf 42kn, das ist der Höchstwert, den ich heute auf dem Windmesser lese. Schon ordentlich für August. Wir sitzen trocken und sicher im Salon unseres sturmerprobten Schiffes, essen, trinken, lachen und erzählen Seemannsgeschichten.

17.8.2021 Borkum - Juist 14,9sm

Am Morgen weht es immer noch, die Windräder am Hafen geben Gas - und sind dabei ganz schön laut. Das wird uns in dem Moment erst so richtig bewusst, dass diese riesigen Rotoren nicht lautlos durch die Luft schneiden können. Wir haben ein Souvenir vergessen und wollen kurz mit dem Bus noch einmal ins Dorf fahren. Der Hafen ist ja leider etwas außerhalb des Ortes. Der Bus ist proppenvoll und es wird auch niemand vom Busfahrer an den Haltestellen zurück gelassen, sondern noch in die letzte Ecke gequetscht. Ich höre einen kleinen Jungen sagen: Mama, darf der das überhaupt?? Ja, Corona ist mal da und mal wieder ganz weit weg, aber die Kinder wird es noch lange beschäftigen, da bin ich sicher! Wir mögen den vollen Bus auch nicht und sind froh, als er am Leuchtturm anhält und wir aussteigen können.

Am Nachmittag beruhigt sich der Wind, wir schauen erneut nach Ebbe und Flut und dem Wattfahrwasser und beschließen: los! Wir segeln jetzt nach Juist! Ein Traum geht damit für mich in Erfüllung, auf dem eigenen Kiel geht es nach Töwerland, dem Zauberland! Ich hatte schon vorher Kontakt zu Jan, einem alten Freund aus Juister Tagen, der heute mit seiner Familie in der Nähe von Hannover lebt. Gerade jetzt sind sie auf Juist im Urlaub und erwarten uns im Hafen.

Unsere erste Fahrt durchs deutsche Wattenmeer ist schon aufregend. Die roten und grünen Tonnen hinter uns lassen und nur noch den Pricken folgen, genau wissend, dass es genau hier in ein paar Stunden wieder trockenfällt - wir sind aufmerksam und auch Michi muss zugeben, dass er das noch nicht gemacht hat. Das Wetter ist gnädig, der Wind gibt uns eine Verschnaufpause, genau so lange, wie wir nach Juist brauchen, da frischt es schon wieder auf. Jan und ein paar andere starke Männer warten im Hafen auf uns, ich dreh fast durch vor Aufregung und Freude 😃. Aber erstmal sicher anlegen, was gar nicht so einfach ist, da der Seitenwind noch ordentlich weht und wir das Schwert nicht komplett runter lassen können, da es sehr flach hier ist. Ohne Schwert ist das Manövrieren nicht ganz so einfach. Die starken Männer aber fangen die Leinen und mit vereinten Kräften liegen wir endlich fest am Steg - und Jan und ich uns in den Armen. Jans Tochter hat ein paar freche Sprüche parat, so dass wir aus dem Lachen nicht mehr herauskommen. Jetzt brauchen wir - natürlich - erstmal ein ordentliches Anlegerbier und später auch was zu essen. Jan bestellt uns Fisch und Fleisch im Hafenrestaurant zum Selberabholen. Herrlich! Wir verabreden uns für den nächsten Tag zum gemeinsamen Abendessen.

Nach dem Essen muss ich Michi und Bernd noch wenigstens eine Juister Kneipe zeigen und wir landen in der Spelunke. Ich kann es kaum glauben, aber es sieht hier noch immer aus wie vor 25 Jahren, als wir in den Semesterferien hier als Kutscher gearbeitet und noch mehr gefeiert haben… es ist düster, verraucht, gute Musik und die Getränke kommen wie von selbst. Ich glaube, auch der Wirt ist noch derselbe 😉…

18.8-19.8. Juist

Nun haben wir Urlaub! Wenigstens zwei Tage möchte ich hierbleiben. Michi nimmt das Schnellboot ans Festland (Zitat hinterher: das mach ich nie wieder, was ein Ritt!), um in Ruhe von Norddeich mit der Bahn nach Hause zu fahren. Wir sind nun das erste Mal zu zweit alleine auf unserer neuen Tabaluga, hoffentlich bekommen wir das alles hin.

Aber erstmal genießen wir die schönste Sandbank, genannt Töwerland - das Zauberland! Ein kurzer Besuch bei Kannegieters, meinen damaligen Arbeitgebern, ein langer Strandspaziergang an diesem unfassbar schönen Strand und natürlich viel Schwelgen in Erinnerungen. Wie wir hier mit den Pferden und Kutschen oder auch mal einfach ohne Sattel auf dem blanken Pferderücken an der Waterkant entlang galoppiert sind, welche Häuser noch stehen, welche neu sind, welche Geschäfte noch da sind, welche Restaurants 🤔…

Wir erfahren, dass am Abend zuvor in dem heftigen Sommersturm eine Windhose über der Nordsee entstanden ist und ca. 60 Strandkörbe auf Juist zerstört hat. Das ist natürlich in der Hauptsaison ein einschneidender Verlust für den Eigentümer. Zum Glück ist niemand zu Schaden gekommen und wir denken auch nur ganz kurz darüber nach, was so eine Windhose mit unserem Boot anstellen könnte.

Wir mieten uns Fahrräder und radeln zu Bill und zurück zum Flugplatz und treffen uns am Abend an Bord, um mit Jans Familie gemeinsam Pizza zu essen. Eine wunderbare Zeit gemeinsam!

20.8.2021 Juist - Ankern vor Neuwerk 63,2sm

Und wieder müssen wir uns verabschieden vom wunderbaren Töwerland. Die Zeit drängt, der Urlaub ist bald zu Ende und mein neuer Job erwartet mich. Juist war, ist und bleibt meine Lieblingsinsel im Wattenmeer, es gibt keine Hochhäuser, alles ist natürlich, authentisch und autofrei. Man kommt runter, die Seele baumeln lassen und selbst oder vielleicht gerade bei schlechtem Wetter die Nordsee ganz hautnah erleben.

Nach 3 Tagen Sturm hat der Wind beschlossen, dass erstmal genug ist, also bleibt uns wieder nichts anderes übrig als zu Motoren. Die Durchfahrt zwischen Juist und Norderney auf die Nordsee hinaus ist durchaus berüchtigt und man sollte definitiv mit ablaufend Wasser durch diese Passage fahren. Heute ist es aber ruhig, die Sonne scheint, wir haben keine Probleme. Die Nordsee ist noch ein wenig aufgewühlt vom Sturm der letzten Tage, aber es ist alles im Rahmen und machbar.

Wir überlegen, ob wir nun den letzten “Erinnerungspunkt” ansteuern, die kleine Insel Neuwerk, zu Hamburg gehörend, vor Cuxhaven. Aber auch hier sind die Gezeiten gegen uns. Nur bei Hochwasser können wir den Hafen erreichen, genauso können wir ihn auch nur bei Hochwasser verlassen. Dann würden wir aber genau das ablaufende Wasser aus der Elbe mitbekommen, was mit 5-6 Knoten gegen uns durchaus für Stillstand sorgen kann. Das Risiko können wir nicht eingehen, also wollen wir durchfahren bis Cuxhaven in den gezeitenunabhängigen Hafen. Aber der Abend ist so schön, das Wasser mittlerweile spiegelglatt und Neuwerk glänzt von weitem im Sonnenuntergang, so dass wir spontan entscheiden, einfach zu ankern und mit auflaufend Wasser dann in die Elbe hineinfahren. Ein herrlicher Abend mit Blick auf Neuwerk, was kann besser sein für diesen Urlaubsausklang?

Besser kann es sein, hier NICHT zu ankern… was wir nämlich nicht bedacht haben, sind die Containerschiffe, die im Elbfahrwasser unterwegs sind. Hilfe, solche Wellen hatten wir beim Ankern noch nicht. Mitten in der Nacht erschrecke ich mich dermaßen, weil es kracht und poltert, das Boot am Anker zerrt und draußen ein riesenhaftes Containerschiff der Evergreen Reederei vorbei rauscht. Irgendwann nach Mitternacht wird der Verkehr weniger und wir können ein wenig schlafen und machen uns sofort bei auflaufend Wasser auf den Weg.

21.8.2021 Ankern vor Neuwerk - Stade 49,6sm

Der Rest der Fahrt ist unproblematisch. Mit dem Strom schaffen wir ordentlich Meilen und sind schon kurz nach Mittag in unserem kleinen Zielhafen in der Stader Schwinge. Wir haben es geschafft! Hier kann Tabaluga erstmal bleiben, bis wir ein Winterlager gefunden haben.

Wir haben nun einige neue Erfahrungen gemacht, 846,2 sm gesamt waren es von Brest nach Stade!! Der Atlantik, der Ärmelkanal, die Nordsee, alles neu für uns als Segler. Aber in keinem Moment waren wir unsicher, haben sehr genau geplant, dank der modernen Technik mit Wetterdaten und Gezeiten über das Internet konnten wir gut und sicher navigieren.

Wir sind gespannt, was uns die neue Tabaluga und die nächsten Jahre bringen. Nun ist erstmal viel basteln und neu machen angesagt, um dem Schiff unsere persönliche Note zu verleihen, damit wir uns komplett zuhause fühlen.