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Unser Segeljahr 2021 beginnt eigentlich annähernd wie das letzte. Wir dürfen Tabaluga zwar schon früher ins Wasser bringen, aber der Frühling lässt lange auf sich warten, so dass kälte- und coronabedingt einfach nicht mehr machbar ist, als ein wenig vor Großenbrode herum zu dümpeln. Kein Restaurant, kein Café geöffnet, andere Häfen dürfen nicht angelaufen werden. Die Saison kommt einfach nicht so richtig in Schwung und auf einmal ist schon Juni! Frühling wurde dieses Jahr vom Wettergott übersprungen, plötzlich ist Sommer und die große Frage steht im Raum: wo soll denn unsere Reise hingehen? Das gilt sowohl für diesen Sommer, aber auch für die Zukunft…
Eines Abends überrascht mich mein Mann dann mit den Worten: wollen wir uns eine OVNI in Brest anschauen? Mir entgleisen zunächst die Gesichtszüge, dann kommt der Gedanke „wir haben doch ein schönes Boot, wozu?“ und schließlich: „äh, ja, klar!“. Wow, was für ein Gedanke! Eine OVNI ist eine französische Aluminiumyacht der Werft ALUBAT, hochseetauglich, mit Hydraulikkiel, um auch trockenfallen zu können! Es würden sich komplett neue Reviere eröffnen. Wir lieben unsere Tabaluga, sie ist wunderschön, allerdings haben sich in 8 Jahren auch neue Bedürfnisse ergeben. Ich hätte damit nie gerechnet, aber nach einiger Zeit kann ich mich damit anfreunden, sie in gute Hände an jemanden zu geben, der diesen Klassiker zu schätzen weiß und mit ihr weiterhin die Ostsee bereisen möchte. Auch eine Najad 391 ist hochseetüchtig, hat aber eben doch „nur“ einen Kunststoffrumpf und kein Metall. Nachdem immer mehr Müll in den Ozeanen herum schwimmt, ist das natürlich auch ein absolutes Argument für unsere Sicherheit. Ein bisschen mehr Platz, mehr Stehhöhe und auch Raum für Lieschen wären toll. Die OVNI, die nun in Frankreich zum Verkauf steht, ist baugleich mit Cybéle, der Yacht unserer lieben Freunde Valérie und François. So wissen wir natürlich, was uns erwartet, aber andererseits muss das Gefühl stimmen und wir uns an Bord absolut wohl fühlen. Daher geht kein Weg an einem spontanen Wochenendtrip nach Brest vorbei.
Zunächst steht aber auch an, uns Gedanken über einen Verkauf von der alten Tabaluga zu machen. Für eine ordentliche Verkaufsanzeige müssen Bilder her, gute Bilder. Da die Ehefrau des Eigners durch Zufall eine ganz passable Fotografin ist, passt das ganz gut 😏. Nun gilt es innen drin zu putzen, die privaten Plünnen von einer Ecke in die andere zu schieben, die Schönheit zu dokumentieren und dann Bilder von außen zu machen. Diese sollten natürlich frei von äußeren Einflüssen, also Ausschnitten anderer Boote sein und so fahren wir raus auf den Großenbroder Binnensee, ankern und haben die perfekte Kulisse für wunderschöne Bilder. Es tut in der Seele weh und auch jetzt fließt das eine oder andere Tränchen und dann kommt der Gedanke auf: eigentlich ist sie viel zu schön und zu empfindlich für uns… Das Holz auf Decke, das Holz am Süllbord, der Gelcoat auf dem Rumpf. Alles ist empfindlich und beim kleinsten Andetscher schon eine Macke drin. Im Innenraum wäre es doch schön, durchs Boot gehen zu können, ohne sich den Kopf zu stoßen und genügend Platz für Gäste zu haben… aber sie hat uns bisher überall sicher hingebracht, wo wir hinwollten und um die Welt gesegelt sind mit diesem Typ Boot auch schon viele… ach, einfach viele Gedanken, für und wider…
Nun fahren wir erstmal los in die Bretagne! Zwischenstopp in Unna, Lieschen unterbringen und weiter. Kilometer um Kilometer nähern wir uns aufregenden neuen Zielen. In Brest angekommen freuen wir uns natürlich vor allem darauf, Valérie und François nach anderthalb Jahren Coronapause wieder zu sehen. Die Männer verfallen sofort in Fachgespräche, die Frauen müssen energisch einschreiten, um sie zum essen gehen zu bewegen 😄. Nach langer, langer Zeit lassen wir uns mal wieder Essen an den Tisch bringen, schön zu bemerken, dass die Normalität langsam, aber hoffentlich sicher zurück kehrt. Valerie beschert uns noch eine kurze Sightseeing Tour durch Brest, danach fallen wir todmüde ins Hotelbett.
Der nächste Morgen startet sehr aufgeregt. Wir treffen Jean-Luc, den Eigner der OVNI im Hafen. Die Männer stürzen sich auf die technischen Details, ich schaue durch alle Schränke, teste die Kojen, Sitzecke und Küche, begutachte die Nassräume und spüre einfach nach, ob ich mich wohl fühle. Innen ist es hell, viel, viel heller als in der Najad. Helles Eichenholz, helle Lederpolster, aber keinerlei Bilder und persönlichen Dinge. Es ist wie die Besichtigung einer leeren Wohnung, man muss versuchen, sich vorzustellen, wie es mit den eigenen Sachen dann aussieht. Da ich Cybéle so gut kenne und weiß, wie gemütlich sie ist, bin ich sicher, dass wir es schaffen, auch diesem Schiff einen sehr persönlichen Touch zu verleihen.
Nachmittags möchten wir noch eine Runde segeln, das ist mir ganz wichtig, ob ich mich auch in Bewegung auf dem Schiff sicher fühle. Valérie und François haben familiäre Verpflichtungen, bevor sie sich Mitte Juli auf den Weg nach Island via Irland machen wollen und verabschieden sich nach einem gemeinsamen Mittagessen.
Jean-Luc zeigt uns, was seine Ti’Ouane, so ihr Name, kann und wir sind begeistert. Sicher, stabil, schnell. Alles bestens! Mir kommen leicht die Tränen, als ich merke, dass ich bei 20 Knoten Wind und Kurs hoch am Wind keinerlei Unsicherheit verspüre, was auf Tabaluga durchaus mal vorkommen konnte. Es ist beeindruckend. Ob der erste Eindruck sich bestätigt, wenn wir alleine segeln? Wir müssten viel neu lernen, ein anderes Rigg, der Hydraulikkiel, einfach ein ganz anderes Boot. Noch sind wir nicht soweit, dass wir aus vollem Herzen und sofort JA sagen, da es eine große Investition und definitiv eine Herzensangelegenheit ist. Wir müssen eine Nacht darüber schlafen. Jean-Luc lässt uns vertrauensvoll Schlüssel und Karte für den Hafen da und wir versprechen, ihn an nächsten Tag zuhause zu besuchen. So können wir uns nochmal ganz alleine ins Schiff setzen und den Gedanken freien Lauf lassen.
Am nächsten Morgen fahren wir noch mal kurz in den Hafen, setzen uns an Bord und lassen alles nochmal ein wenig auf uns wirken. Es scheint alles zu passen. Wir lassen Ti’Ouane erstmal zurück und fahren los, entlang der Küste in Richtung Jean-Lucs Heimatort. Es ist fantastisch, eine wunderbare Natur, aber wir wissen auch, dass bei rauhen Westwinden das Leben hier bestimmt nicht immer nur einfach ist. Jean-Luc wohnt in einem alten Holzhaus, direkt an der Küste mit Blick aufs Meer und die vorgelagerten Inseln. Ein absoluter Traum! Wir trinken Kaffee und plaudern ein wenig und halten fest, im Laufe der kommenden Woche zu telefonieren. Wir sind schon kurz davor, uns von ihm und seiner Lebensgefährtin zu verabschieden, ich gehe noch mal kurz für kleine Seglerinnen. Ich bin kaum zwei Minuten verschwunden, sagt mein Mann zu mir: ich muss dir was sagen… In den zwei Minuten meiner Abwesenheit haben die Männer mal kurz über Geld gesprochen, sich die Hand gegeben und den Deal perfekt gemacht! In dem Moment sind wir alle vier wohl recht nah den Tränen, aus den unterschiedlichsten Gründen… wir verabschieden uns vorerst und fahren weiter entlang der bretonischen Küste und lassen unseren Gedanken freien Lauf. Eins steht jedenfalls fest: der Name Tabaluga bleibt! Für uns hat dieser Name eine Bedeutung, der alte Name nicht. Ti’Ouane ist nämlich kein bretonischer Ausdruck, sondern das englisch ausgesprochene T 1. Der Ersteigner des Schiffes war bei Air France und hat im Terminal One Charles de Gaulles gearbeitet… damit haben wir nun wirklich nichts zu tun.
Zurück zu Hause stellt sich nun die Frage: die Najad verkaufen oder verchartern. Lange überlegen wir hin und her, rechnen, wägen Für- und Wider ab und können uns nicht entscheiden. Zwei Interessenten besichtigen das Boot, einer will es haben, ein Belgier namens Bernard. Entscheidend ist dann ein kurzes Gespräch mit Uschi und Reiner, die uns die Najad damals verkauft haben. Verchartern? Ihr spinnt wohl! Da könnt ihr euer Geld gleich verbrennen! Reiner sagt: das war keine Empfehlung, das war eine Ansage! Ups, alles klar, wir haben verstanden! Und so sagen wir Bernard den Verkauf zu…
Kurz vor unserer Abreise nach Frankreich treffen wir uns mit Bernard und seiner Frau Françoise in Großenbrode, da Bernard sich erbeten hat, das Boot einmal aus dem Wasser zu heben und mit einem Gutachter von unten zu schauen, ob wirklich alles in Ordnung ist. Das Wetter ist durchwachsen, es ist ordentlich Wind angesagt. Wir fahren zum Kran, bis hierhin passt alles. Boot raus, gucken, alles gut, Boot wieder rein. Zurück in die Box wird es dann noch mal spannend. Seitenwind mit Böen bis zu 30kn! Das machen wir sonst nicht, bei solchem Wind anzulegen. Rückwärts haben wir keine Chance, vorwärts mit Krawumms gehts. Ich fange mit dem Bootshaken die Sorgleine, mit ebenso viel Krawumms zerbricht das Stück Plastik am Haken und hilft uns gar nichts mehr. Zum Glück stehen ein paar starke Männer am Steg, ich werfe die Leine und treffe auch ausnahmsweise, so dass wir dann doch relativ schnell sicher fest sind. Puh, das wäre es echt gewesen, jetzt auch noch Bruch zu bauen. Aber alles ist gut! Klaus, der Gutachter, geht mit Bernard alles Technische durch, ich schaue mit Françoise alles innen durch. Klaus bemerkt nur, dass das Teakdeck vermutlich in nicht allzu ferner Zukunft erneuert werden muss, alles andere ist in sehr gutem Zustand. Wir lassen Bernard und Françoise alleine und fahren kurz shoppen. Als wir wiederkommen, diskutieren die Männer kurz über den Preis, sind sich schlussendlich einig und reichen sich mit Tränen in den Augen die Hände… nun ist ein Glas Sekt angebracht. Wir erfahren, dass die beiden mit der ganzen Familie, Kindern und Enkelkindern vermutlich auf dem IJsselmeer segeln wollen. Das gefällt mir richtig gut, das passt zur „alten“ Tabaluga! Sie möchten den Namen und sogar mein Logo behalten, wow, was für eine Ehre für uns und für mich. Sie mögen den kleinen Drachen, der ein Herz mit seinem Schwanz formt und lächelnd in die Ferne schaut :-). Die beiden laden uns ein, auf dem Weg nach Frankreich in Brüssel zu übernachten, was wir gerne annehmen, falls Stau sein sollte. Wir verabschieden uns vorerst, um im September die endgültige Übergabe zu machen.
Wow, wie emotional das alles ist?!? Es ist doch „nur“ ein Gegenstand… nein, jeder Segler wird mir bestätigen können, dass auch ein Schiff eine Seele hat. Die alte und die neue Tabaluga haben eine Geschichte mit uns, mit Voreignern, waren schon viel unterwegs und das alles steckt irgendwo in ihrem Rumpf, den Segeln, den Mast und genau das ist es, was man fühlt!
Wir freuen uns jetzt riesig auf neue Abenteuer! Bleibt unserem Blog treu, bald folgen neue Bilder, neue Geschichten über das, was das Seglerleben so ausmacht!
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