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Steilküste und steife Brise

Endlich Urlaub! Nachdem Island endgültig storniert bzw. verschoben wurde, können wir nun drei ganze Wochen an Bord genießen. Dänemark und Schweden sind wieder offen für Segler, auch wenn es heißt, dass man sechs Nächte am Stück in Dänemark bleiben soll. Wir werden sehen, was das bedeutet. Wir freuen uns jedenfalls, rauszukommen, zu segeln und die vergangenen, doch teils belastenden Monate mal auszublenden!

25.-26.07.2020 => Westergellersen - Großenbrode

Wie im jeden Jahr fängt der jährliche Urlaub mit ein bisschen Hektik an ;-). Wir bringen Lieschen dieses Mal nach Unna, da wir auch längere Strecken planen und dann gerne unabhängig von ihren Bedürfnissen an Land sein möchten. Die Fahrt an einem Tag hin und wieder zurück ist schon anstrengend, auch wir hatten in der letzten Zeit wenig Langstreckenfahrten. Die Pferde sind im Großen und Ganzen versorgt, alles weitere wird an meine Mädels übergeben. Endlich sind am Samstag Nachmittag die Sachen gepackt, das Auto vollbeladen und los. Wir kaufen Heiligenhafen leer und an Bord fällt mir auf, dass die Kosmetiktasche mit elektrischer Zahnbürste und Kontaktlinsen zuhause liegt. Egal, Zähne putzen geht auch konventionell und Kontaktlinsen vertrage ich eh nicht gut! Den Rest kann man nachkaufen. Sonntags schlafen wir erstmal aus, es kommen hier und da so heftige Schauer herunter, als wollten sie uns warnen, am ersten Urlaubstag übermüdet loszusegeln. Nach wochenlangem Testen, Basteln, Überlegen und wiederholtem in den Mast klettern, funktioniert nun auch endlich der Windmesser!! Juchuuu, es kann wirklich losgehen 🙂!

27.07.2020 => 37,7sm Großenbrode - Gedser

Wir machen uns früh auf die Socken, uns hält nichts mehr in Großenbrode. Endlich geht die Segelsaison 2020 wirklich los. Dänemark und Schweden dürfen wir bereisen, es gelten keine Reisewarnungen mehr. Wir sind ja eh für uns, großen Menschenmengen gehen wir aus dem Weg, Restaurants meiden wir in Skandinavien eh meist schon aus Kostengründen, außer Bernd möchte mal Fisch essen. Und eigentlich koche ich im Urlaub auch ganz gerne, da brauchen wir nicht essen zu gehen.
Der Wind meint es gut mit uns, aus Ost kommend, hoch am Wind nehmen wir Kurs auf Dänemark. Wir lassen Fehmarn an der Backbordseite liegen und verlassen die vertrauten Gewässer. Durch die Abdrift im Fehmarnbelt , kommen wir nicht ganz hin, ein wenig müssen wir kreuzen vor Gedser. Unfassbarer Weise funktionieren alle Instrumente, auch der Autopilot gibt den richtigen Kurs an. Windpfeil, Tidenpfeil, alles sieht korrekt aus… echt spooky 😉. Wir suchen übrigens immer noch einen Namen für den Autopiloten, schließlich der drittwichtigste Mann (oder Frau?) an Bord…

Kurz vor Gedser sehen wir ein Schiff mit einem Schornstein, das sehr seltsam aussieht, es sieht eigentlich aus wie eine Fähre, aber was ist das für ein Ding da oben drauf? Mir kommt dunkel in den Sinn, dass ich so ein Bild schon mal von einem Frachtschiff gesehen habe, irgendwas war das mit alternativem Antrieb. Genau, der sogenannte Flettnerrotor! Die Fähre “Copenhagen” auf der Linie Gedser - Rostock wurde mit diesem rotierenden Zylinder ausgerüstet, um Antriebsenergie zu sparen. Der Rotor bewirkt bei seitlichen Winden einen Vortrieb, eine ganz spannende Geschichte und man glaubt es kaum: eine fast 100 Jahre alte Idee!

Den Hafen in Gedser laufen wir easy an, der erste Platz längsseits mit guter Aussicht ist unser. Wir gehen noch ein wenig am Strand spazieren, beobachten eine neugiere Entenmama mit ihren Jungen und schauen uns abends die “Fähre mit Schornstein” beim Einlaufen an.

28.07.2020 => 34,32sm Gedser - Klintholm

Am nächsten Tag erwartet uns ein - sorry - geiler Ritt, wir haben super Wind, laufen auf Halbwindkurs durch die Bucht zwischen Falster und Møn. Unsere Geschwindigkeit beträgt max. 9,9kn laut GPS, Tabaluga surft auf den Wellen, es ist Spaß pur! Klintholm laufen wir ja schon zum dritten Mal an, das erste Mal mit defektem Vorstag, das zweite Mal ordentlich durchgeschüttelt von den Wellen vor den Klippen, aber heute mit einem dicken Grinsen im Gesicht 🙂. Der Hafen ist relativ voll, wir quetschen uns an den letzten Platz längsseits in der Ecke. Unser Helfer an Land muss ordentlich kämpfen, uns gegen den Wind festzumachen. Ich mache mir Sorgen, dass er ausrutscht oder sich die Finger klemmt, aber er gibt nicht auf. Das Dankeschön-Bier lehnt er ab, Hilfe wäre schließlich selbstverständlich! Das ist Seemannschaft pur! Er lobt uns letztendlich noch für die Taktik als erstes mittschiffs festzumachen - das haben wir mittlerweile gelernt, die Mittelklampe ist ein wichtiger Helfer für ein gutes Anlegemanöver! Wir haben wohl den ruhigsten Platz im Hafen, was den Schwell betrifft, aber es stinkt!! Tonnen an verrottendem Seegras liegen am Strand und werden von einem Bagger gerade zusammen gefahren. Es stinkt wie eine Jauchegrube mit Fischaroma. Abends gehen wir ein paar hundert Meter den Strand entlang und finden eine einigermaßen saubere Stelle zum Baden. Das Toben in den Wellen lässt das Gemüffel ein wenig vergessen, eine schnelle Dusche ist hinterher aber angesagt! 😉

29.-30.07.2020 => Møn

Es ist sehr windig, die Brandung steht auf die Hafeneinfahrt, wir bleiben erstmal hier. Wir satteln die kleinen Italiener und radeln zu den Klippen, der schönste Platz auf Møn. Viele Touristen sind hier, Abstand halten ist manchmal schwierig, wir fühlen uns erstmal ein bisschen unwohl. Aber wir sind ja draußen, lassen das Tourismuszentrum links liegen und machen uns auf die Wanderung zunächst oben entlang der Klippen, steigen 468 Treppenstufen herunter (kleine Unschärfe in der Zählung möglich wegen Ablenkung durch Grüßen!), wandern am steinigen Strand entlang und steigen 495 Treppenstufen wieder hoch! Das ist ein ordentlicher Marsch, wir belohnen uns mit einem Eis. Bezahlen können wir es nur mit Karte, selbst im kleinen Kiosk vor dem Tourizentrum.

Auf der Rückfahrt kämpfen wir ein wenig mit Gangschaltung und Bremsen bei den kleinen Italienern, die Bremsen quietschen fürchterlich. Eine Frau hält sich sogar die Ohren zu, als wir bergab an ihr vorbeifahren… ups. Zurück in Klintholm Havn treffen wir auf zwei Reiter, eins der Pferde hat nur noch ein Auge und ist ein bisschen nervös. Ich wundere mich, wo die Reiter hinwollen? Ich sehe, dass sie auf das Plastikpferd auf dem Ponton vor der Bar im Hafen etwas drauf schreiben, was ich zum Anlass nehme, sie anzusprechen. Er erzählt, dass das wie ein Hafen auf den Azoren sei, dort müsse man den Namen seines Bootes auf den Steg pinseln, hier halt die Namen der Pferde aufs Pferd kritzeln und es klopfen, Klap Hestar eben. Er erzählt, dass er oft in Deutschland sei und nennen Gut Schnede und Sudermühlen ihre zweite Heimat, unglaublich, die Welt ist so klein! Es scheinen Jagdreiter zu sein, die in engem Kontakt zum Hamburger Schleppjagdverein stehen. Am Abend machen wir nur noch einen kurzen Strandspaziergang, das war genug Sport für heute!

Auch am nächsten Tag nimmt der Wind nicht ab, mein Skipper traut sich zum Baden in die Wellen, aber mir ist das gerade zu kalt. Wir schnappen uns nochmal die kleinen Italiener und fahren über die Insel Richtung Steege. Aber bei dem Gegenwind geben die Beine auf, der Muskelkater von gestern reicht, außerdem tut der Allerwerteste weh. Wir entscheiden uns zum Nichtstun, relaxen, schlafen und machen einen Strandspaziergang in andere Richtung. Am der Hafenmole beobachten wir Schiffe, die mit der Brandung in den Hafen schaukeln, außerdem kommen zwei historische Marinesegler der Dänischen Marine herein.